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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
Seite - 78 -
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die Assoziationen plötzlich in eine ganz unerwartete Richtung, dann gibt es in einem Satz plötzlich drei Doppelaxel«412, so Jelinek. Der Dichter stehe immer im »Abseits«, außerhalb der Wirklichkeit, die er versuche abzubilden, erklärte sie in ihrer Rede zum Nobelpreis. Von dort aus sehe er die Wirklichkeit zwar besser, könne selbst aber nicht dort bleiben, weil es in der Wirklichkeit keinen Platz für ihn gebe.413 Und nun scheine es so, als ob die Sprache in die Wirklich- keit verschwinde und die Dichterin im Abseits allein lasse : »Weil ich im Schreiben Schutz gesucht habe, kehrt sich dieses Unterwegssein, die Sprache, die in der Bewegung, im Sprechen, mir ein sicherer Unterstand zu sein schien, gegen mich. (…) Was immer geschieht, nur die Sprache geht von mir weg, ich selbst, ich bleibe weg. Die Sprache geht. Ich bleibe, aber weg. Nicht auf dem Weg. Und mir bleibt die Sprache weg.«414 Dass Elfriede Jelinek tatsächlich die Sprache wegbliebe, steht nicht zu befürch- ten. »Im Abseits« widerspiegelt zum einen den vorläufigen Endpunkt einer jahrelangen ästhetischen Entwicklung und ist zum anderen wie sämtliche Je- linek-Texte als Satire zu lesen. Und so bereitet der Autorin, die souverän wie kaum eine andere mit Sprache hantiert, die scheinbare Unterordnung unter ihr »Hündchen« keinerlei Probleme. Die Dankesreden, die Jelinek im Laufe der Jahre aus Anlass verschiedenster Ehrungen gehalten hat, dokumentieren einen »schleichenden Rückzug«415, meinen die Biografen Mayer/Koberg. Am Ende dieses Rückzugs stehe die vielleicht bittere, aber jedenfalls befreiende Erkennt- nis, für niemanden mehr Verantwortung tragen zu müssen : weder für die Mut- ter, noch für die Gesellschaft, noch für das eigene Schreiben. Jelineks zentrales Schreibverfahren ist die Destruktion, ihr bevorzugtes Genre die Satire. Am Höhepunkt ihres literarischen Schaffens destruiert sie die eigene Sprache, das eigene Schreiben, den eigenen Mythos. Aus dem Abseits kann sie, die Nobelpreisträgerin, die alles erreicht hat, was man im Beruf des Schriftstellers erreichen kann, entspannt beobachten, wie bemühte Germanisten versuchen, das zusammenzubasteln, was sie längst in die Freiheit entlassen hat. Wer hier wen Gassi führt, ist demnach schon längst entschieden. 412 Dies., zitiert nach Leiprecht, Die elektronische Schriftstellerin, S.  3. 413 Vgl. ebd. 414 Ebd. 415 Mayer/Koberg, Ein Porträt, S.  257. 78 | Einleitung Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Titel
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Untertitel
Eine historiografische Untersuchung
Autor
Sylvia Paulischin-Hovdar
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
328
Schlagwörter
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische Einführung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. Resümee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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