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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
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der »Vielen«422 (die ent-individualisierte, ent-politisierte und ent-historisierte Mehrheitsbevölkerung), ohne deren stille Duldung die Eskalation von Gewalt und Krieg im Nationalsozialismus nicht möglich gewesen wäre.423 Auch ihre scheinbar rein feministischen Texte, der Roman »Die Liebhaberin- nen« oder das Theaterstück »Was geschah, nachdem Nora ihren Mann verlassen hatte«, sind unter diesem Lichte zu lesen. Sowohl Jelineks Feminismus als auch ihre Situierung im Kontext von Poststrukturalismus und Postmoderne werden jedoch »zumeist falsch eingeschätzt, weil ihre marxistischen Orientierungen ausgeblendet werden«424, so Marlies Janz. Jelineks Mythendestruktionen ver- stehen sich als »aufklärerische Ideologiekritik«425. In dieser werden die unglei- chen Machtverhältnisse von der jeweils herrschenden Klasse, gesellschaftlichen Gruppe oder dem dominierenden Geschlecht künstlich hergestellt und als ge- sellschaftliche Mythen weitergegeben. Als Vehikel für deren Propagierung dient eine manipulierbare und ideologisch vereinnahmbare Sprache, welche über die modernen Massenmedien als scheinbare Norm transportiert wird. Mit ihrer Sprach- und Medienkritik steht Jelinek in der Tradition Theodor Adornos, der Faschismus als ein Phänomen der manipulierten, verdummten und ent-politisierten Masse dargestellt sowie den Zusammenhang von Sprache und Faschismus beschrieben hat.426 Für Adorno bestand die größte Gefahr des Nationalsozialismus in dem »Fortbestand jener Strukturen, welche ihn seiner Meinung nach einst befördert und gestützt hatten«427. Eben jenen Fortbestand will Jelinek mit ihrem Destruktionsverfahren auf- zeigen, das keine Lösungen anbietet, sondern Sprachgebrauchsformen wider- spiegelt und parodiert, denn anhand der Sprachverwendung einer Gesellschaft können Mythen reflektiert werden. Auf diese Weise wird »das Wiedergänger- tum des Faschismus«428 zum zentralen Gegenstand in ihrem Œuvre, und zwar nicht nur als Thema, sondern auch als Fixpunkt ihrer literarischen Verfahrens- weisen.429 Der Opfermythos als spezifisch österreichisches Phänomen stellt sich dabei für Jelinek als Folge der Verschleierung und Manipulation einer politisch ver- 422 Lüdtke, Macht der Emotionen, S.  54. 423 Vgl. Kapitel  1.4.2 dieser Studie. 424 Janz, Elfriede Jelinek, S.  VII. 425 Ebd. 426 Vgl. Adorno/Horkheimer, Dialektik der Aufklärung, vor allem das Kapitel »Kulturindustrie. Aufklärung als Massenbetrug«, S.  141–191. Vgl. auch Geml, Zum Begriff des Faschismus bei Adorno, S.  67  ff. 427 Geml, Zum Begriff des Faschismus bei Adorno, S.  69. 428 Lücke, Elfriede Jelinek, S.  7. 429 Vgl. Janz, »Die Geschichte hat sich nach 45 entschlossen«, S.  225. 80 | Einleitung Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Titel
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Untertitel
Eine historiografische Untersuchung
Autor
Sylvia Paulischin-Hovdar
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
328
Schlagwörter
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische Einführung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. Resümee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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