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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
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Der Titel des Romans verweist nicht nur auf einen in den 1960er Jahren belieb- ten Taufnamen, sondern zugleich auch auf einen 1929 erschienenen, autobio- grafisch gefĂ€rbten Roman des spĂ€teren NS-Propagandaministers Joseph Goeb- bels  – »Michael. Ein deutsches Schicksal in TagebuchblĂ€ttern«, der mit seinem im Titel geĂ€ußerten ReprĂ€sentationsanspruch in der NS-Zeit als »Bildungsro- man« weite Verbreitung fand. Die Referenz auf Goebbels’ Roman kann nach Janz als Hinweis auf die starke Politisierung Jelineks in dieser frĂŒhen Phase ihres literarischen Schaffens gewertet werden, die fĂŒr ihr weiteres Schreiben charak- teristisch blieb.447 In dem wenige Jahre spĂ€ter erschienenen »Liebhaberinnen«-Roman griff Je- linek Motive auf, welche vor allem in trivialen Liebesromanen (»Groschenro- manen«) als Rechtfertigungsmuster fĂŒr ideologisierte Gewalt zwischen den Ge- schlechtern, aber auch zwischen den sozialen Klassen angeboten wurden.448 Der gesamte Text arbeitet mit bipolaren Mustern, die auf bestĂ€ndige Konfrontation von Trivialmythen und RealitĂ€t abzielen (Entgegensetzung der beiden Protago- nistinnen PAULA und BRIGITTE, Entgegensetzung von Stadt und Land usw.). Die in Heimat- und Liebesromanen beschworenen Mythen von romantischer Liebe, Freude an der Arbeit und idyllischem Landleben werden anhand der eigentĂŒmlich steril wirkenden Nachahmung der Bauprinzipien von Trivialro- manen destruiert.Die Protagonistinnen PAULA und BRIGITTE werden zu »Ge- genstĂ€nden« degradiert, was die Aussichtslosigkeit ihrer Situation verdeutlicht : Frauen aus der Arbeiterklasse sind demnach einer zweifachen Diskriminierung ausgesetzt, einmal aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Arbeiterklasse und einmal als Frauen  – wobei die Klassenhierarchie die Geschlechterhierarchie priori- tiert.449 An dem klar durchkomponierten, eher narrativen Roman kann Jelineks Vorstellung von der Verwobenheit der gesellschaftlichen Macht- und Gewalt- strukturen auf verschiedenen Ebenen, die ihren spezifischen Faschismusbegriff prĂ€gen, abgelesen werden. Wichtig ist auch hier wiederum die Feststellung, dass anhand der angesprochenen Themen die Kritik an einer ent-politisierten und -historisierten Sprache dargebracht wird, welche die modernen Massenmedien transportieren. Ohne diese wĂ€re eine Verbreitung der Trivialmythen in der Ge- sellschaft nicht möglich und in weiterer Konsequenz auch nicht die Verteidi- gung des Opfermythos. Den »Liebhaberinnen«-Text ergĂ€nzend griff Jelinek wenige Jahre spĂ€ter in ihrem »Nora«-StĂŒck (»Was geschah, nachdem Nora ihren Mann verlassen hatte oder StĂŒtzen der Gesellschaften«) bĂŒrgerliche Mythen von Emanzipation 447 Vgl. Janz, Elfriede Jelinek, S.  16. 448 Vgl. Janz, »Die Geschichte hat sich nach 45 entschlossen«, S.  228  f. 449 Vgl. Janz, Elfriede Jelinek, S.  22  f. 83 Poetologische EinfĂŒhrung  |
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Titel
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Untertitel
Eine historiografische Untersuchung
Autor
Sylvia Paulischin-Hovdar
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
328
Schlagwörter
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, IntertextualitÀt
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : AnnĂ€herung an eine »synthetische KĂŒnstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische EinfĂŒhrung 67
      1. 1.6.1 Jelineks Àsthetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur IntertextualitÀt 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. LektĂŒre- und DeutungsvorschlĂ€ge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten SekundÀrliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten SekundÀrliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die ErzÀhlinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten SekundÀrliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. ResĂŒmee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 InterdisziplinÀre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 PrimÀrliteratur 300
      2. 6.1.2 SekundÀr- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-BeitrÀge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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