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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
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Für die Hauptfigur NORA gerinnt der Feminismus zu einer Aussage über die angebliche »Natur« von Mann und Frau, die unhistorisch und unpolitisch bleibt und daher im Barthes’schen Sinne nur als »Mythos« klassifiziert wer- den kann.459 Das Stück endet mit einer Anspielung auf den Reichstagsbrand. An die Stelle gesellschaftlicher Reflexion tritt jedoch der Mythos vom Juden als Brandstifter.460 Dieser Ausblick auf den Nationalsozialismus sei ihr »sehr wichtig«461 gewesen, so Jelinek. Zugleich arbeitet sie sich in diesem Stück an der Totalitarismustheorie462 ab, indem sie die sozialdemokratischen Positionen der dargestellten Arbeiterinnen mit deren faschistoider Mutterschaftsideologie verbindet, womit vermutlich aufgezeigt werden soll, dass weder im bürgerlichen noch im proletarischen Lager wirkliche politische Reflexion stattfindet, »son- dern ›linkes‹ wie ›rechtes‹ Gedankengut jeweils trivialmythisch rezipiert wird«463. Der Roman »Die Ausgesperrten« (1980), der aus einem Drehbuchprojekt hervorgegangen ist464 und 1982 auch unter der Regie von Franz Novotny ver- filmt wurde, stellt Jelineks ersten wirklich narrativen Text dar, der eine linear erzählte Handlung und individualisierte Figuren enthält. Auch in puncto Or- thografie verabschiedete sich Jelinek mit diesem Roman von den experimentel- len Mustern der Wiener Gruppe und passte sie der gängigen Praxis an.465 Der Inhalt orientiert sich an der wahren Geschichte eines tragischen Familienmords im Wien der 1950er Jahre. Gleich zu Beginn wird der Opfermythos  – und hier so explizit wie selten  – als eines der Hauptthemen eingeführt : »Zu dieser Zeit [1955] gibt es … immer noch zahlreiche unschuldige Täter. Sie blicken voller Kriegsandenken von blumengeschmückten Fensterbänken aus freundlich ins Pu- blikum, winken oder bekleiden hohe Ämter. Dazwischen Geranien. Alles sollte endlich vergeben und vergessen sein, damit man ganz neu anfangen kann.«466 Die Figur des Vaters WITKOWSKI personifiziert den Opfermythos nahezu : Als ehemaliger SS-Offizier, der in den Konzentrationslagern Auschwitz und Treb- linka Dienst getan und an der Ostfront an Kriegsverbrechen teilgenommen hat, nimmt er die Haltung des offiziellen Österreich zum Anlass, 1945 auch zu seiner persönlichen »Stunde Null« zu machen : 459 Vgl. Kapitel  1.4.3. 460 Vgl. Janz, »Die Geschichte hat sich nach 45 entschlossen«, S.  228  f. 461 Jelinek, zitiert nach : Meyer, Sturm und Zwang, S.  59. 462 Vgl. Kapitel  1.4.1. 463 Janz, Elfriede Jelinek, S.  36. 464 Vgl. ebd., S.  47. 465 Vgl. Scheidl, Ein Land auf dem rechten Weg, S.  146. 466 Jelinek, Die Ausgesperrten, S.  7. 85 Poetologische Einführung  |
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Titel
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Untertitel
Eine historiografische Untersuchung
Autor
Sylvia Paulischin-Hovdar
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
328
Schlagwörter
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische Einführung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. Resümee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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