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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
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»Ich grabe also meine toten Voreltern aus dem Grab heraus … ich sage : Schlaf nicht ein, Großväterchen, bleib wach, ich brauch dich noch, um mit dir was zu beweisen ! Alle sollen es hören ! Heraus aus dem Grab, mach schon !«493 Ein ebenso wiederkehrendes Motiv ist die Metapher einer Decke des Verges- sens, die sich über das Land zieht : Jelinek bezeichnet sie einmal als »natürlich- keitsschleim«494 oder als »Schleim von Aliens«495, einmal als »Gras«496, als wach- sendes »Eis«497 oder als »braunen Schleim«, der »aus den Mündern quillt«498. In dem Theaterstück »Stecken, Stab und Stangl« ist es eine rosarote Häkeldecke, an der die auftretenden Figuren gemeinsam arbeiten und die nach und nach die ganze Bühne überzieht.499 Für Jelinek, selbst eine bekennende TV-Süchtige, waren die Medien, vor allem die Unterhaltungsindustrie und die Werbung, von Beginn an wichtige Themen, da diese die manipulierte Sprache unters Volk bringen und so die öf- fentliche Meinung in die jeweils gewünschte Richtung lenken. In »Die endlose Unschuldigkeit« bezeichnete sie die modernen Massenmedien als »Kontrollins- tanzen«500 der Gesellschaft. Charakteristisch für diesen Standpunkt ist ihre jah- relange öffentliche Auseinandersetzung mit der »Kronen Zeitung« : »Bei uns da- heim passt die halbe Bevölkerung in eine einzige Organisationsform«, befindet die Autorin, »und das ist die Kronenzeitung.«501 Als meistgelesene österreichi- sche Tageszeitung übernehme die »Krone« das Sagen und Fühlen der Mehrheit der Österreicher und suggeriere gleichzeitig, dass sie bloß das formuliere, was dem gesunden Volksempfinden nach ohnehin jeder denke : »Die Kronenzeitung sagt, Politik verdirbt die Menschen, sie brauchen sich jetzt aber gar nicht mehr um diese Politik zu kümmern, das übernimmt diese liebe gute Zeitung ja für sie, sie nimmt ihnen das Politische ab.«502 493 Jelinek, Ein deutsches Märchen, unpaginiert. 494 Dies., Die endlose Unschuldigkeit, S.  56. 495 Dies., Dem Faß die Krone aufsetzen, unpaginiert. 496 Dies., Ein deutsches Märchen, unpaginiert. 497 Dies., oh mein Papa, unpaginiert. 498 Dieselbe, zitiert aus einer Rede mit dem Titel »Rotz«, die sie am 16.  März  2001 auf der Anti- rassismus-Kundgebung der »Demokratischen Offensive« am Wiener Stephansplatz gehalten hat (nachzulesen auf ihrer Homepage unter »16.3.2001« oder auch bei Janke, Nestbeschmut- zerin, S.  154). 499 Vgl. Ehlers, Die Faschismuskritik der Elfriede Jelinek, S.  15. 500 Jelinek, Die endlose Unschuldigkeit, S.  53. 501 Dies., Dem Faß die Krone aufsetzen, unpaginiert. 502 Ebd. 90 | Einleitung Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Titel
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Untertitel
Eine historiografische Untersuchung
Autor
Sylvia Paulischin-Hovdar
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
328
Schlagwörter
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische Einführung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. Resümee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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