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stellt bis heute eine der ganz wenigen textimmanenten Analysen zu »Burg-
theater« dar. Der Autorin gebührt daher dementsprechende Anerkennung, auch
wenn ihre Ausführungen nur wenige Seiten umfassen.15
Ein Symposiumsbeitrag von Hubert Lengauer wurde 1992 publiziert.16 Da-
rin beschreibt Lengauer »Burg theater« als Kontrafraktur des traditionellen Wie-
ner Volksstücks und geht vorwiegend dem Bruch von Jelineks »Posse« mit der
Traditionslinie von Ferdinand Raimunds Zauberspiel »Der Alpenkönig und der
Menschenfeind« nach, wobei er Raimunds Stück keineswegs als naiv beschreibt,
sondern vielmehr betont, dass der Volkstheaterdichter der spielerisch-artifiziel-
len Programmatik Jelineks durchaus entgegenkomme.17
Auch die englische Literaturwissenschafterin Allyson Fiddler befasste sich in
ihrer 1994 publizierten Dissertation «Rewriting Reality« (unter anderem) mit
Jelineks »Burg theater«-Text. Auf knappen acht Seiten gelingt es ihr, die wich-
tigsten Hintergründe und Besonderheiten des Texts zusammenzufassen und vor
allem auch die Bedeutung der besonderen Kunstsprache des Stücks herauszuar-
beiten (»Indeed language is much more than a vehicle for expression in Jelinek’s
play, it is something of a subject in its own right, and forms an integral part of
Jelinek’s ›Heimat‹-critique.«18)
Marlies Janz fasste 1995 in ihrem Jelinek-Band bisherige Forschungsergeb-
nisse auf circa acht Seiten zusammen und stellte dabei immer wieder Zusam-
menhänge zwischen der speziellen Burg theater-Analyse und dem allgemeinen
Rahmen der Jelinek’schen Mythendestruktion her.19
Im Besonderen soll hier aber noch auf zwei Interpretationsvorschläge aus der
Theaterwissenschaft hingewiesen werden, zum einen auf Beate Hochholdinger-
Reiterers Beitrag »Es ist, als liefe das Bellaria-Kino Amok«20 aus dem Jahr 2004,
der sich sehr textnahe und differenziert mit Jelineks Stück und dessen Rezepti-
onsgeschichte befasst, und zum anderen auf Evelyn Annuß’ Band »Theater des
Nachlebens« aus dem Jahr 2005, in welchem sich die Autorin, eine ausgewiesene
Jelinek-Expertin, in mehreren Unterkapiteln der Auseinandersetzung mit dem
»Burg theater«-Stück widmet.21
15 Bereits in ihrem (ebenfalls in diesem Band veröffentlichten) Artikel »Porträt einer Dichterin :
Elfriede Jelinek (1986)« hatte Kerschbaumer einige Absätze dem »Burgtheater«-Stück gewid-
met, siehe : Kerschbaumer, Porträt einer Dichterin, S. 150 f.
16 Lengauer, Jenseits vom Volk, S. 217–228.
17 Vgl. ders., S. 221 f.
18 Fiddler, Rewriting Reality, S. 107.
19 Janz, Elfriede Jelinek, S. 62–70.
20 Hochholdinger-Reiterer, Amok, S. 43–58.
21 Annuß, Theater des Nachlebens, S. 59–135.
110 | Lektüre- und Deutungsvorschläge
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Eine historiografische Untersuchung
- Titel
- Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
- Untertitel
- Eine historiografische Untersuchung
- Autor
- Sylvia Paulischin-Hovdar
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20325-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 328
- Schlagwörter
- Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- 1. Einleitung 11
- 2. Methodische Reflexion 99
- 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
- 3.1 »Burg theater« 108
- 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
- 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
- 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
- 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
- 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
- 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
- 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
- 3.3 »Das Lebewohl« 247
- 4. Resümee 279
- 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
- 6. Anhang 299
- 7. Register 319