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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
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»Baumgartner Höhe«) während des Zweiten Weltkriegs misshandelt und um- gebracht wurden. Schorsch : Mir treten in ainer Sondervurstellung vor die zurickgebliebenen Kinder in Glanzing auf. Damits a letzte Fraid haben ! Bevurs abgespritzt wern. Istvan : Oder am Spiegelgrund ! Da wird man nimmermehr gesund ! Jawull ! Singen derfens noch a Liaderl ! Jene Patschachter, die oamen gaistigen Kripperl ! Jede Muatter tat rearn. Käthe klangvoll : Schweig ! Stille, stille, kain Geraisch gemacht. Istvan : Zeit der Reife. Schorsch : Losts zua ! Aber vurher derfens noch mit dem Kinderarzt Doktor Enger- lmacher ain scheenes Gstanzl singen, de Gstermln ! Wie geschwind sie es aufgegessen haben, jenes letzte Grieskoch vor der großen Ewigkeit ! (…)73 »Doktor Engerlmacher« stellt eine unmissverständliche Anspielung auf den da- maligen Stationsarzt der Klinik, Heinrich Gross, dar, der im Rahmen der so genannten »Euthanasieprogramme« vermutlich an der Ermordung zahlloser behinderter Kinder beteiligt gewesen war.74 Das von Istvan scheinbar unmotivierte Herbeizitieren eines Romantitels von Jean-Paul Sartre (»Zeit der Reife«) entspricht dem von der Autorin ge- pflegten Usus, Liedanfänge oder Filmtitel (mitunter auch Titel von Theaterstü- cken) in die Aussagen ihrer Figuren einzustreuen, wie Kerschbaumer vermutet als »Bekräftigungsformeln«75, mit welchen Jelinek die erstarrte Hochkultur sa- tirisch zu kritisieren trachte.76 In diesem Fall ist »Zeit der Reife« aber auch als makabres Wortspiel interpretierbar : als Variation der Redewendung »Die Zeit ist reif« (für die Tötung der Kinder). Durch die oben zitierte Textstelle wird klar gemacht, dass die Figuren Istvan und Schorsch, vermutlich auch Käthe, Kenntnis über die Euthanasieverbre- chen, die Gaskammern und Giftspritzen der Nationalsozialisten haben. Immer wieder wird im Text ausdrücklich mit dem Wissen der Nachkriegszeit operiert. Mitleid oder Solidarität mit den Opfern ist aber weder bei Käthe noch bei Istvan oder Schorsch zu bemerken. Wiederholte Male ist es Schorsch, der betont, dass es eben jetzt so sei und man sich danach zu richten habe. Er gibt sich damit als Rädchen einer größeren Hierarchie zu erkennen, deren Bestehen er 73 BT, S.  151. 74 Vgl. Kapitel  1.5 dieser Studie. 75 Kerschbaumer, Bemerkungen zu Elfriede Jelineks Burgtheater, S.  159. 76 Vgl. ebd., S.  158  f. Vgl. auch Janz, Elfriede Jelinek, S.  63 : hier als »bestätigende Abschlußformel eines Dialogparts« bezeichnet. 121 »Burg theater«  |
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Titel
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Untertitel
Eine historiografische Untersuchung
Autor
Sylvia Paulischin-Hovdar
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
328
Schlagwörter
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische Einführung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. Resümee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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