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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
Seite - 136 -
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silbernen Kerzenleuchter auf Theres los …166), die Kinder (…  nimmt Istvans Reit- gerte und haut ihnen unter dem Tisch auf die Waden …167) oder den Ehemann (…  Tritt Istvan jäh und unerwartet zwischen die Beine.168), nimmt nach Kräften an der Erschlagung des Alpenkönigs teil (… wirft sich gegen den Alpenkö- nig, der fällt gegen seinen Kahn, beides taumelt, wankt, kracht.169) und verabscheut den Burg theaterzwerg, den sie als »Unnatürl«170 bezeichnet, womit sie sich wiederum selbst als Verkörperung von Natürlichkeit hervortut. Für sie verkör- pert der Zwerg das »unwerte Leben«, das im nationalsozialistischen Weltbild keinen Platz hat (»Ich verabscheue alles Künstliche und Gemachte wie dies zu klein geratene Wesen hier.«171). Auch Käthe handelt demnach politisch, auch wenn sie sich stets auf das »Gemeinschaftserlebnis«172 der Kunst beruft. Zugleich spielt Jelinek in zuletzt genannter Textstelle mit dem Mythosbegriff, denn die Figur Käthe steht ge- rade für falsche Natürlichkeit. Ihre Distanzierung von allem Künstlichen und Gemachten  – ist ein Kleinwüchsiger künstlich ?  – ist daher als weiteres Bau- steinchen der Jelinek’schen Ironisierung zu begreifen. Käthe verliert mit zunehmendem Handlungsverlauf immer mehr den Ver- stand, was sich in ihrem akuten Sprachverfall widerspiegelt : Ständig fällt sie in Rollen, beendet dabei viele der zitierten Textpassagen und der dazwischen gestreuten, scheinbar spontanen Sätze nicht mehr, nimmt an den Dialogen der Familie nicht mehr richtig teil und wirkt unzurechnungsfähig. Ihre mangelnde Einschätzung der (nationalsozialistischen) Wirklichkeit kommt schon im ersten Teil des Stücks deutlich zum Ausdruck, in dem sie völlig entgeistert in einen Dialog zwischen Schorsch und Istvan einsteigt, die sich darüber unterhalten, dass die jüdischen Schauspielkollegen von der Bildfläche verschwunden seien (auch hier fällt wiederum der Wechsel zwischen Dialekt und Hochsprache auf) : Käthe vernünftig : Woos ? Weg sans ? Geh weida ! Wirkli ? Ei freilich, ich sah sie lang nicht mehr. Lang lang ists her. Waldgrün der Heimat so duftig und traut. Itzig beläs- tigt das daitsche Weib mit seiner abnormen Ungeschschsch  – stammelt  – itzlichkeit ! Istvan zwickt sie in den Arsch, sie juchzt. Schleichen sie nicht mehr über die Wiesen und Auen unseres lieben Alpenvorlands ? Jene spitznasigen, plattfüßigen kleinen Ge- 166 BT, S.  133. 167 BT, S.  136. 168 BT, S.  153. 169 BT, S.  146. 170 BT, S : 169. 171 BT, S.  168. 172 BT, S.  168. 136 | Lektüre- und Deutungsvorschläge Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Titel
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Untertitel
Eine historiografische Untersuchung
Autor
Sylvia Paulischin-Hovdar
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
328
Schlagwörter
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische EinfĂĽhrung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. ResĂĽmee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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