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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
Seite - 146 -
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Zudem sind zahllose gestalterische Elemente dem Wiener Volkstheater entlehnt, das ursprünglich in Opposition zum Burg theaterbetrieb stand. Be- reits der Untertitel des Stücks, »Posse mit Gesang«, der nur als Paradoxon zum Haupttitel »Burg theater« gelesen werden kann, verweist auf Jelineks vorwiegend angewendete Mittel : Verfremdung, Montage und Kontrast.222 Die »Posse« als »anspruchslose, volkstümliche Komödienform, die durch vordergründige, pri- mitiv-derbe … Komik«223 Lachen erzeugen will, wurde zunächst nur im Vor- stadttheater gezeigt, fand aber mit den Zauberpossen Ferdinand Raimunds und den Satiren Johann Nestryos Eingang ins Burg theater : »In der Kontrastierung von ›Posse mit Gesang‹ und der im Haupttitel genannten Kul- turinstitution wird ein Teil dieser Geschichte : nämlich die ursprüngliche Opposition von Vorstadttheater und Hoftheater und die nachfolgende Einebnung dieser Opposi- tion im bürgerlichen Kulturbetrieb angespielt. Die Posse findet im Burg theater statt, das Burg theater ist eine Posse.«224 Vor allem Käthe wetteifert dem Ideal, Burgschauspielerin zu sein und Burg- theaterdeutsch zu sprechen, unentwegt nach. Ihre nahezu aggressiv zur Schau gestellte Natürlichkeit verbirgt gleichzeitig die Verantwortung für ihr Handeln. Die Natürlichkeit und die »natierliche Gutmietigkeit«225 sind prononciert, an- gelernt und alles andere als natürlich. Allein die Regieanweisung Jelineks, die Sprache sei als Kunstsprache zu behandeln, deutsche Schauspieler mögen den Text lernen und darbringen, macht dies deutlich. Die angebliche Natürlichkeit wird hier als Mythos kenntlich gemacht. Käthe, die nicht müde wird, ihre Liebe zur Schauspielerei, zum Burg theater, zur Sprache und zur Literatur her- vorzukehren, wird insgesamt als mythische Figur entlarvt. Die Sprache des Stücks »spricht«226 tatsächlich : Durch sie wird deutlich, dass hier nichts Unschuldiges vor sich geht, sondern die Protagonisten durch die Wahl ihrer Sprechweise eine bewusst motivierte Entscheidung treffen, die die Wahrheit zu verschleiern sucht : das Politikum des vorgeblich unpolitischen Künstlers im NS-Regime.227 Wiederum muss an dieser Stelle darauf verwiesen werden, dass nicht der Vorwurf des Wegschauens oder des Mitläufertums in der faschistischen Diktatur im Zentrum des Texts steht, sondern der Vorwurf 222 Vgl. Hochholdinger-Reiterer, Amok, 47. 223 Wilpert, Sachwörterbuch der Literatur, S.  701. 224 Lengauer, Jenseits vom Volk, S.  218  f. 225 BT, S.  169. 226 Jelinek, Lust, S.  28. 227 Vgl. auch Löffler, Ludersinn, S.  219. 146 | Lektüre- und Deutungsvorschläge Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Titel
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Untertitel
Eine historiografische Untersuchung
Autor
Sylvia Paulischin-Hovdar
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
328
Schlagwörter
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische Einführung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. Resümee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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