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lung ihres Auftrags, den polnischen Truppen Einhalt zu gebieten«321 Truppen
des deutschen Heeres über alle deutsch-polnischen Grenzen zum Gegenangriff
entsendet habe. Das Wort »Krieg« durfte von der Presse zunächst nicht verwen-
det werden.322
Nun war das Propagandathema von »Heimkehr« im Oktober 1941 nicht
mehr aktuell, die Kriegsfolgen lähmten den Besucherstrom zu dem bislang teu-
ersten Filmprojekt der nationalsozialistischen Studios. Nach der Proklamation
des »Totalen Kriegs« und der Verkündung des »Deutschen Volkssturms« 1944
aber lief der Streifen als wertvoller »nationaler Film« wieder in den Kinos an –
diesmal nicht unter den Vorzeichen der deutschen Angriffspolitik, sondern
der sich bereits abzeichnenden militärischen Niederlage.323 Es galt daher, po-
litische Durchhalteparolen, mit denen das sinnlose Sterben auf beiden Seiten
unnötig in die Länge gezogen wurde, mit scheinbar moralischen Inhalten zu
rechtfertigen.
Paula Wesselys und Attila Hörbigers Engagement in »Heimkehr« ist dem-
nach als höchst problematisch zu bewerten : Der Film war mit größtem finan-
ziellen Einsatz und massiver Bewerbung gemacht worden, um den deutschen
Kriegsmythos vom Defensivangriff gegen Polen zu verbreiten. Wie nebenbei
mischte er außerdem die Judenfrage unter. 1944 erfüllte er eine kriegsverlän-
gernde Wirkung, indem er zur Aufrechterhaltung der Moral des deutschen Vol-
kes beitragen sollte.
Es muss daher festgestellt werden, dass sich Paula Wessely den Berufsbe-
dingungen des jeweils herrschenden politischen Systems (zunächst des austro-
faschistischen Ständestaats, in Folge aber auch des NS-Regimes) zu Zwecken
der Karriereförderung unterwarf – ob sie nun politisch einverstanden war oder
nicht.324 Interessanterweise sollte ihr dies nach Kriegsende aber »nur kurzfris-
tig«325 Probleme bei der Entnazifizierung machen. Mit Sicherheit war es für sie
hilfreich, dass sie als Frau weniger strenge Entnazifizierungsmaßnahmen auf
sich nehmen musste, die von Vorurteilen über die Geschlechterrollen im Na-
tionalsozialismus geprägt waren, wonach Frauen die aktive Teilnahme an den
Angeboten des Regimes weniger zugetraut wurde als Männern.326 Bereits ab
30. August 1945, nur wenige Monate nach Kriegsende, durfte sie wieder am
Landestheater in Innsbruck spielen, in der amerikanischen Zone hatte sie noch
321 Studt, Das Dritte Reich in Daten, S. 111.
322 Vgl. ebd., S. 111 f.
323 Vgl. Rathkolb, Führertreu und gottbegnadet, S. 264.
324 Vgl. Rathkolb, Führertreu und gottbegnadet, S. 263 ff.
325 Hochholdinger-Reiterer, Amok, S. 43.
326 Zu der unterschiedlichen Behandlung von Frauen und Männern im Entnazifizierungsprozess
in Deutschland und Österreich nach 1945 vgl. Krauss, Sie waren dabei. 165
»Burg
theater« |
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Eine historiografische Untersuchung
- Titel
- Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
- Untertitel
- Eine historiografische Untersuchung
- Autor
- Sylvia Paulischin-Hovdar
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20325-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 328
- Schlagwörter
- Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- 1. Einleitung 11
- 2. Methodische Reflexion 99
- 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
- 3.1 »Burg theater« 108
- 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
- 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
- 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
- 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
- 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
- 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
- 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
- 3.3 »Das Lebewohl« 247
- 4. Resümee 279
- 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
- 6. Anhang 299
- 7. Register 319