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Hans Hinkel kritisierte, und unterstützte mit finanziellen Aufwendungen jüdi-
sche Sportvereine (etwa den Fußballklub sowie den Schwimmverein der Wiener
»Hakoah«).334 Beruflich war er als Schauspieler äußerst erfolgreich, verdiente
mit zwanzig Filmprojekten weitaus mehr Geld als beim Theater und wurde mit-
unter auch in Filmen mit politischen Inhalten beschäftigt (zum Beispiel »Wet-
terleuchten um Barbara«, »Heimkehr«). Er hatte beim Publikum jedoch kein
starkes »Polit-Image«335. Auch Jelineks Figur Istvan behauptet wiederholte
Male von sich selbst, »nur ein Komödiant«336 zu sein und verweist damit auf ihre
vermeintlich unpolitische Haltung.337
Die Entnazifizierung nach dem Krieg konzentrierte sich im Falle von Attila
Hörbiger auf dessen Mitwirkung in Ucickys »Heimkehr«-Film. Der mit dem
Fall befasste Untersuchungsausschuss stellte dazu 1947 fest, dass es Filmschaf-
fenden zu jener Zeit nicht möglich gewesen sei, sich derartigen Aufgaben zu
entziehen.338 Diese These der Pflichterfüllung treffe für die Filmbranche jedoch
keineswegs zu, so Rathkolb : Wenn es auch Besetzungslisten mit unterschiedli-
cher Besetzungsbewertung gegeben habe, so sei doch kein Schauspieler gegen
seinen Willen zu einer Rolle gezwungen worden.339
Attila Hörbigers widersprüchliches Verhalten während der Jahre der
NS-Herrschaft lässt auf jeden Fall den Schluss der politischen Insensibilität zu,
da er sein Filmrollenverhalten an die jeweils dominierenden politischen Strö-
mungen anpasste, sich dabei aber letztlich mit ideologischen Fragen nicht wirk-
lich auseinandergesetzt zu haben scheint.340
Im Sommer 1945 durfte Attila Hörbiger wieder Theater spielen und über-
nahm die Rolle des »Jedermann« im Landestheater Innsbruck.341 Spätestens
1948, mit dem Engagement von Paula Wessely und Attila Hörbiger in dem
Spielfilm »Der Engel mit der Posaune«, war den beiden Eheleuten alles »verge-
ben und vergessen«342.
334 Vgl. Rathkolb, Führertreu und gottbegnadet, S. 241 f.
335 Ebd., S. 242.
336 BT, S. 132, S. 137 und S. 169.
337 Vgl. 3. 1. 3. 2. dieser Studie.
338 So der Bescheid des Politischen Untersuchungsausschusses der Gewerkschaft der Angestell-
ten der Freien Berufe, Sektion Film« vom 23. Januar 1947, zitiert nach : Rathkolb, Führertreu
und gottbegnadet, S. 242.
339 Die Besetzungsliste reichte von Liste I (»müssen unter allen Umständen möglichst ohne jede
zeitliche Vakanz im Film beschäftigt werden«) bis Liste
IV (»ausdrücklich begründen, warum
gerade dieser … für diese bestimmte Rolle unabdingbar notwendig ist«). Vgl. ebd.
340 Vgl. ebd., S. 243.
341 Vgl. Hochholdinger-Reiterer, Amok, S. 43.
342 Löffler, Was habe ich gewußt, S. 90 f. 167
»Burg
theater« |
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Eine historiografische Untersuchung
- Titel
- Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
- Untertitel
- Eine historiografische Untersuchung
- Autor
- Sylvia Paulischin-Hovdar
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20325-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 328
- Schlagwörter
- Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- 1. Einleitung 11
- 2. Methodische Reflexion 99
- 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
- 3.1 »Burg theater« 108
- 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
- 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
- 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
- 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
- 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
- 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
- 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
- 3.3 »Das Lebewohl« 247
- 4. Resümee 279
- 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
- 6. Anhang 299
- 7. Register 319