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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
Seite - 170 -
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Hörbigers aus der Nachkriegszeit in ihren Theatertext integriert. Die Absicht wird der Autorin hier insofern unterstellt, als dass davon ausgegangen werden kann, dass sie damit ihr literarisches Vorhaben unterstreichen wollte, Paula Wessely, die in dem Stück exemplarisch für viele andere Künstler des »Dritten Reichs« steht, nicht für ihre Teilnahme an dem Filmprojekt in der NS-Zeit, sondern die Verlogenheit und Scheinheiligkeit der Nachkriegszeit an den Pran- ger zu stellen. Die Rolle als Henriette Alt in »Der Engel mit der Posaune« hingegen kann durchaus als cineastische Reinwaschung Wesselys interpretiert werden, mit der das Thema der persönlichen Vergangenheitsbewältigung für die Schauspielerin (zumindest vordergründig) abgehakt war. Auch der »Engel«-Film muss letzten Endes als tendenziös bezeichnet wer- den, da er die Schilderung der Kriegsjahre ausspart und den Nationalsozialis- mus  – dem Opfermythos gemäß  – »in einer fatalistischen Blickweise als eine Art Naturgewalt« darstellt, »die über Österreich hinweggefegt ist«357. Über den »Engel mit der Posaune« hinaus waren die Wessely/Hörbigers in den 1950er Jah- ren in vielen weiteren österreichischen Filmproduktionen, darunter zahlreichen Heimatfilmen, zu sehen, die jene heile Welt beschwörten, die nach Jelinek in Wirklichkeit die »Blut-und-Boden-Mythologie der Nazikunst«358 weiterführten. Auch dies trug nicht gerade zur ehrlichen Konfrontation mit der NS-Vergangen- heit im österreichischen Gedächtnis bei, ganz im Gegenteil : Das Trivialmedium Heimatfilm manifestierte in seiner scheinbaren Harmlosigkeit und Unschuldig- keit den österreichischen Opfermythos in den Köpfen der Menschen. Ein interessantes Detail zu »Der Engel mit der Posaune« ist, wie in der Zeit- schrift Spiegel (die in einer Ausgabe des Jahres 1948 von der Premiere des Films berichtete) nachgelesen werden kann, dass Paula Wessely die Verfilmung des Romans von Ernst Lothar, der nach dem »Anschluss« 1938 im amerikanischen Exil geweilt hatte, überhaupt erst angeregt haben soll : »… Paula Wessely erhob sich und gab zu, daß sie beim Lesen des Buches auf die Idee gekommen sei, einen großartigen österreichischen Film danach zu drehen. Sie sagte das mit der natürlichen Herzlichkeit und herzlichen Natürlichkeit, die mehr als wiene- risch, die ganz wesselysch ist.«359 Damit ist eine »natürliche Herzlichkeit« und »herzliche Natürlichkeit« an- gesprochen, die Elfriede Jelinek negiert und in einer Stellungnahme zu Paula 357 Ebd. 358 Jelinek, zitiert nach : Hochholdinger-Reiterer, Amok, S.  51. 359 Der Spiegel, Nr.  35, 1948, 1948. Der Artikel kann online im Spiegel-Archiv abgerufen werden unter : http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-44418970.html (Zugriff am 5.3.2011). 170 | Lektüre- und Deutungsvorschläge Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Titel
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Untertitel
Eine historiografische Untersuchung
Autor
Sylvia Paulischin-Hovdar
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
328
Schlagwörter
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische Einführung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. Resümee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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