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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
Seite - 184 -
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Edgar ist dazu verdammt, sein Leben im Tod ständig zu wiederholen (»Wie- derholungszwang«435) und so rast er unaufhörlich auf Rasenrollbrettern  – eine Variation der Alpinski  – die Abhänge der Alpen hinab.436 In immer wieder- kehrenden Nebenrollen erklimmen drei untote Wanderer die Gipfel der ober- steirischen Berge und fristen zwei Förstersöhne, die sich mit dem Gewehr die Köpfe »davongeblasen«437 haben, ihr untotes Dasein in der Pension bzw. deren gebirgiger Umgebung. Die drei untoten Hauptfiguren, Karin Frenzel, Edgar Gstranz und Gudrun Bichler werden von der Erzählinstanz in voyeuristischer Manier be- obachtet, beobachten aber auch ihrerseits : andere Untote, aber auch Lebende sowie Verdoppelungen und Abspaltungen ihrer selbst  – »die Blicke werden hier vervielfältigt«438. Sie morden und begehen kannibalische und vampirische Akte. Sie kopulieren und masturbieren und treiben angestrengt Sport (vor allem Edgar). Gleichzei- tig fungieren sie als Mittler zwischen den Daseinsformen, denn aus ihnen her- aus können sich andere Tote aus der Erde erheben : So wird Edgar im Text als »Tür«439 bezeichnet, als »Zwischenlager für etwas, das da noch kommen wird, um endgültig den Tod in die Welt einzuführen«440. Karin, die untote Pen- sionistin, gewinnt ihre Fruchtbarkeit zurück und gebiert im Innenraum eines BMW einen »Fleischklumpen«441 aus Toten, bevor sie sich in einem geister- haften Ritual von der alles dominierenden Mutter befreit. Gudrun wiederum ist eine »Totensammlerin«442, erlebt während einer Zeitreise, die sie um fünfzig Jahre zurückversetzt, eine sexuelle Episode mit einem jungen Mann, der auch Edgar ist oder wenigstens so heißt (das will die Erzählinstanz »ein für allemal bestimmt«443 haben), reanimiert einen im Schwimmbad ertrunkenen Jungen, wird als Lainzer Krankenschwester von einem pickelgesichtigen Lehrling er- stochen und in einer weiteren Rolle als Mannequinschülerin gleich noch einmal ermordet  – ein »paradox-exzessiver ›Potlatsch‹ des Todes und der Toten«444. Parallel und überschneidend zu diesem exemplarischen Handlungsstrang der drei untoten Hauptfiguren erheben sich in immer größer werdender Zahl ano- 435 KDT, S.  189. 436 Vgl. Scheidl, Ein Land auf dem rechten Weg, S.  149. 437 KDT, S.  26. 438 Lücke, Elfriede Jelinek, S.  97. 439 KDT, S.  200. 440 KDT, S.  205. 441 KDT, S.  336. 442 KDT, S.  241. 443 KDT, S.  169. 444 Lücke, Elfriede Jelinek, S.  98. 184 | Lektüre- und Deutungsvorschläge Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Titel
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Untertitel
Eine historiografische Untersuchung
Autor
Sylvia Paulischin-Hovdar
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
328
Schlagwörter
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische Einführung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. Resümee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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