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Sein Roman, der in Österreich keinen Verleger gefunden hatte und schließ-
lich im Hamburger Claassen Verlag mit einer bescheidenen Auflage von
3.000 Stück herausgegeben wurde schlug in die »betuliche« österreichische
Nachkriegsliteratur ein »wie eine Granate«514. In Rezensionen wurde das Buch
als »unappetitlich« und »mehr als unschicklich«515 bezeichnet. Zeitgenössische
Schriftstellerkollegen (»vom konservativen Patriarchen der Literatur Heimito
von Doderer bis hin zum ketzerischen Marxisten Ernst Fischer«516) rühmten
das Buch als »grandiose Parabel von Schuld und Sühne«517. 1961 wurde Lebert
für seinen Roman mit dem Theodor-Körner-Preis und ein Jahr später mit dem
Großen Österreichischen Staatspreis ausgezeichnet. Trotz alledem blieben der
»Wolfshaut« die breite Rezeption und nachhaltiger Erfolg versagt.518
Der 1971 erschienene (einzige) Nachfolgeroman »Der Feuerkreis«, ein In-
zestdrama um ein Halbgeschwisterpaar, mit dem Lebert nach eigener Aussage
»den faschistischen Mythos (…) von innen her aufzusprengen«519 versuchte,
wurde von Kritikern und Lesern noch negativer bewertet als »Die Wolfshaut« :
»›Der Feuerkreis‹«, ein fragwürdiges und bedenkenswertes Experiment zugleich, wurde
von den auf Entmythologisierung versessenen Kathederrevolutionären jener Jahre
gründlich mißverstanden und abgeurteilt. Hans Lebert verstummte.«520
Aufgrund des mangelnden Erfolgs und auch wegen des frühen Todes seiner
ersten Frau zog sich Lebert Anfang der 1970er Jahre in seine Wohnung in Ba-
den bei Wien zurück und veröffentlichte über 20 Jahre lang nichts mehr. Erst
1991 wurde der »Wolfshaut«-Roman im Europaverlag neu herausgegeben (2008
ein zweites Mal). Zeitgenössische Autoren (Karl Markus Gauß, Gustav Ernst,
Robert Menasse, Michael Guttenbrunner) bezeugten ihre Hochachtung vor der
Lebertschen Prosa.521 Enthusiastisch zeigte sich Elfriede Jelinek : »Die Wolfs-
haut« sei eines der »größten Leseerlebnisse«522 ihres Lebens gewesen, gestand
sie 1991, als sie das Buch anlässlich der ersten Wiederauflage unter dem Titel
»Das Hundefell« rezensierte :
514 Miessgang, Der Querschreiber, S. 106 f.
515 Ebd.
516 Gauß, Die Toten haben Hunger, unpaginiert.
517 Ders., Der Österreich-Liebhaber, unpaginiert.
518 Vgl. ders., Die Toten haben Hunger, unpaginiert.
519 Lebert, zitiert nach : Miessgang, Der Querschreiber, S. 106.
520 Gauß, Der Österreich-Liebhaber, unpaginiert.
521 Vgl. Müller, Ein neuer Gegenstand, S. 40.
522 Jelinek, Das Hundefell, S. 108. 197
»Die Kinder der Toten« |
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Eine historiografische Untersuchung
- Titel
- Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
- Untertitel
- Eine historiografische Untersuchung
- Autor
- Sylvia Paulischin-Hovdar
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20325-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 328
- Schlagwörter
- Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- 1. Einleitung 11
- 2. Methodische Reflexion 99
- 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
- 3.1 »Burg theater« 108
- 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
- 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
- 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
- 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
- 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
- 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
- 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
- 3.3 »Das Lebewohl« 247
- 4. Resümee 279
- 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
- 6. Anhang 299
- 7. Register 319