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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
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Lebenden nur Scheinexistenzen führen, sind auch die Toten des Romans »le- bende Leichname«535. In ihrem Roman griff Jelinek zentrale Motive aus Leberts Werk auf, vor allem aus »Die Wolfshaut« (zum Teil aber auch aus »Der Feuerkreis«, wie bei Kas- tberger erläutert wird536). Auch Lebert hatte im »Wolfshaut«-Roman bereits Shoah-Thematik und Grusel-Genre miteinander verknüpft, wobei Leberts Ro- man viel stärker plotorientiert ist als Jelineks »Die Kinder der Toten«. Doch die Verknüpfung von historischer Aufarbeitung und schauriger Kriminalgeschichte stellte bei Jelinek kein Novum und auch per se kein Skandalon dar.537 Eine augenscheinliche Parallele zwischen den beiden »Gespenstergeschich- te[n]«538 ist der Rückgriff auf aggressive Natur- und Wettererscheinungen, etwa plötzlichen Nebel oder wiederkehrende Regenfälle, welche die Wiederkehr der Toten vorbereiten und begleiten.539 In Leberts Roman verwandelt anhaltender Regen die Gegend rund um das Bergdorf Schweigen in eine schlammige, »par- teibraune Landschaft«540, ähnlich wie in Jelineks Roman, in dem sich die Wie- sen unter den »prahlerisch zu Hahnenkämmen erstarrten Erdspuren«541 braun färben, während die giftige Mure, die von den Toten des Holocaust genährt wird, bedrohlich anwächst.542 Zudem beschreibt Jelinek  – wie auch Lebert, der in seinen Texten nie eine konkrete Ursache für die Katastrophe des Nationalsozialismus nennt, sondern vielmehr ein »nicht näher definierbares Ur-Böses«543 beschwört  – wiederholt eine transzendentale höhere Macht, die das Geschehen zu kontrollieren und zu lenken scheint. So ist bereits zu Beginn, in Zusammenhang mit dem Busunglück, bei dem Karin Frenzel getötet wird, vom »Steuern eines Höheren«544 die Rede.545 Weitere Hinweise auf diese zwar gottähnliche, aber nicht gütige, sondern viel- mehr zornige Macht finden sich im Laufe des Texts immer wieder, mitunter auch im Plural : 535 KDT, S.  172. 536 Vgl. Kastberger, Endspiele, unpaginiert. 537 Pontzen, Pietätlose Rezeption, S.  59. 538 In ihrer profil-Rezension hatte Jelinek Leberts »Wolfshaut«-Roman als eine »Gottesge- schichte und gleichzeitig eine Gespenstergeschichte« bezeichnet, siehe profil, Nr.  38, 1991. 539 Zu der aggressiven Natur vgl. Kapitel  3.2.6 dieser Studie. 540 Lebert, Wolfshaut, S.  173. 541 KDT, S.  570. 542 Vgl. Scheidl, Ein Land auf dem rechten Weg, S.  154. 543 Miessgang, Der Querschreiber, S.  107. 544 KDT, S.  11. 545 Vgl. Scheidl, Ein Land auf dem rechten Weg, S.  153  f. 200 | Lektüre- und Deutungsvorschläge Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Titel
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Untertitel
Eine historiografische Untersuchung
Autor
Sylvia Paulischin-Hovdar
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
328
Schlagwörter
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische Einführung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. Resümee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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