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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
Seite - 210 -
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Spalt einer Orgelpfeife, so ein leiser Ton : Mutter, Mutter erkennst du mich nicht ? Ich bin zwar kein Sohn, aber tot bin ich schon.«612 Den Klang von Orgelpfeifen kennt die Verfasserin dieser Zeilen als diplomierte Organistin nur zu gut. (Die untote Protagonistin in »Carnival of Souls«, Mary, ist  – welch Zufall  – ebenfalls Organistin.) Aber auch die Figur Gudrun soll zu Lebzeiten ihre Kräfte fürs Klavierspiel aufgebracht haben (»Wie ein letzter Vor- wurf ist die Klinge zwischen den Sehnen, die Gudrun früher fürs Klavierspie- len benötigt hat, ins Weiche gesprungen, als bestiege sie ein Pferd.«613)  – eine Ergänzung, die wiederum als verspielter Hinweis auf die Autorinnenbiografie interpretiert werden kann. Auch die Kleidung der Karin Frenzel, an der die Mutter im Roman wie- derholt herumkritisiert, ist immer wieder Thema, wenn es um Jelineks eigene Darstellung in der Öffentlichkeit geht : Wiederholt wurde die Autorin in Inter- views gefragt, wie sie ihren Faible für Mode und Accessoires mit ihren schrift- stellerischen Ansprüchen unter einen Hut bringen könne. »Es ist eigenartig, daß mir das so oft vorgeworfen wird, daß ich mich für Kleider interessiere«614, so Jelinek in einem Interview, sie sehe nicht ein, warum sie sich diese Spielerei versagen solle, nur weil die Leute meinen, Feministinnen müssten sich in Sack und Asche kleiden.615 Auch in einem Interview nach dem Bekanntwerden der Nobelpreis-Entscheidung sagte Jelinek, dass sie gedenke, das Preisgeld, immer- hin knapp 1,1  Million Euro, für ein japanisches Designerkleid auszugeben (und meinte es freilich nicht ernst).616 Die Figur Erika Kohut in »Die Klavierspie- lerin« muss sich vor der Mutter dafür rechtfertigen, wenn sie mit dem selbst verdienten Geld ein neues Kleid kauft (»Es schreit die Mutter : Du hast dir damit späteren Lohn verscherzt ! … da du nicht warten konntest, hast du jetzt nur einen Fetzen, der bald unmodern sein wird.«617). Neben diesen mehr oder weniger direkten Anspielungen auf die Beziehung zur Mutter ist es vor allem das Schicksal der jüdischen Vater-Familie, das Jelinek unverhohlen in den Text miteingebracht hat, etwa als sie zur Mitte des Buches (S.  333) mit den Bedeutungsvarianten des Wortes »mögen« spielt : Der Name 612 KDT, S.  487. 613 KDT, S.  52. 614 Jelinek, zitiert nach : Winter, Gespräch mit Elfriede Jelinek, S.  15  f. 615 Vgl. Winter, Gespräch mit Elfriede Jelinek, S.  16. 616 Vgl. profil, Nr.  49, 2004, S.  130. Diese Aussage ist allerdings als Koketterie zu verstehen. We- nige Wochen zuvor hatte Jelinek angekündigt, für sich nur einen Teil des Preisgeldes behalten zu wollen und den Rest zu spenden, vielleicht an engagierte Frauenprojekte. Vgl. profil, Nr.  42, 2004., S.  124. 617 Jelinek, Die Klavierspielerin, S.  8. 210 | Lektüre- und Deutungsvorschläge Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Titel
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Untertitel
Eine historiografische Untersuchung
Autor
Sylvia Paulischin-Hovdar
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
328
Schlagwörter
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische Einführung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. Resümee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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