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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
Seite - 218 -
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In »Die Kinder der Toten« wird klargemacht, dass die Opfer des Sports  – ebenso wie die Opfer des Kriegs  – keine Bedeutung haben : »… jeder Spaziergang wird hierzulande so eingerichtet, daß die Essenszeit nicht ver- säumt werde. Mit Essen richten wir uns ein, da kommt es schon vor, daß man verse- hentlich ein paar Menschen mitißt, das zählt hier noch zum Sport.«662 Wenn es weiters in »Die Kinder der Toten« heißt, dass wir beim Sport oft auf- geben, weil uns klar ist, dass wir »nicht zu den Siegern«663 gehören, dann ist mit großer Sicherheit nicht der Krieg des Sports damit gemeint, denn österreichi- sche Athleten sind  – abgesehen von den eher glücklosen Fußball-Nationalspie- lern  – auch auf internationaler Ebene erfolgreich. Dass Jelinek die Diktion des Sports immer wieder mit Parolen des Kriegs verknüpft, ist vielmehr als Hinweis darauf zu werten, dass der tatsächliche Krieg gemeint ist, in den wir unsere Söhne geschickt haben und der eine »fünfundzwanzig Meter lange Blutspur im Schnee«664 hinterlassen hat, denn Österreich gehört, gemeinsam mit Deutsch- land, zu den klaren Verlierern des Zweiten Weltkriegs. Im Roman ist der Sport schon alleine deshalb als rekurrentes Textelement auffällig, weil eine der untoten Hauptfiguren, Edgar Gstranz einen gewe- senen Nationalsportler darstellt  – und wohl nicht zufällig einen Skifahrer : Der alpine Skisport ist in Österreich besonders populär, dementsprechend viel Geld wird auch in diesen Bereich investiert. Dessen wirtschaftliche Umwegrentabi- lität macht sich vor allem für die Tourismusindustrie bezahlt, die den alpinen Wintersport zu Vermarktungszwecken hinlänglich zu nutzen weiß. Auf Pla- katen und in TV-Einschaltungen der Tourismuswerbung werden glitzernde schneeweiße Berge und glückliche, lachende Menschen gezeigt, die verschlafene Tiefschneehänge herunterwedeln. Die Mythosbildung findet hier vor allem im Bildbereich statt. Wie aus dem Kapitel über Roland Barthes’ Mythentheorien bekannt, kann jedes Medium zum Träger einer mythischen Aussage werden, so- wohl der geschriebene Diskurs als auch die Fotografie, der Film, die Reportage, das Schauspiel oder Werbeplakate.665 Solche Bilder zieht Jelinek heran, entfremdet und verzerrt sie aber, um sie als Mythen kenntlich zu machen, und schreibt ihnen das Unheimliche ein, etwa wenn sie die unaufhörlichen Skiabfahrten des mit dem Auto tödlich verun- glückten Edgar Gstranz begleitet, der möglicherweise eine Anspielung auf 662 KDT, S.  421. 663 KDT, S.  127. 664 KDT, S.  32. 665 Vgl. Barthes, Mythen des Alltags, S.  87. 218 | Lektüre- und Deutungsvorschläge Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Titel
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Untertitel
Eine historiografische Untersuchung
Autor
Sylvia Paulischin-Hovdar
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
328
Schlagwörter
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische Einführung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. Resümee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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