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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
Seite - 223 -
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Kurt Ostbahn«  – in Österreich eigentlich als sozialkritischer Musiker bekannt  – wirft nur »seine triefenden Brocken ins Wilde hinaus, der Sänger der Arbeiter und Angestellten, damit diese die Fleischfetzen, als fertige Scheibengerichte, zwischen den Zähnen aus dem Nichts ihrer Wünsche wieder zurück apportie- ren…«682. Versuche einer kritischen Auseinandersetzung verhallen unverstanden. Und auch an dieser Stelle muss wieder auf die Jelinek’sche Methodik verwiesen werden, die nichts dem Zufall überlässt, denn Kurt Ostbahn tönt (wie übrigens auch Rainhard Fendrich683) ausgerechnet aus dem Kofferradio, was zeitlich we- der zum Entstehungskontext des Buchs noch zu dem bekannten Musiker passt. Das Kofferradio gilt als technische Errungenschaft und typisches Accessoire der 1950er und 1960er Jahre, bevor die Hörkultur vom Fernsehen abgelöst wurde.684 Diese ersten Dekaden nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes standen unter dem Eindruck der »Stunde Null«, in der es galt, nach vorne zu schauen und das Gewesene zu vergessen : den Krieg mit seinen großen Verlusten auf allen Seiten und die bestialische Rassenpolitik des Regimes. Auf diese Weise schafft Jelinek in »Die Kinder der Toten« eine Kulisse, in der neben- bei erwähnte Kleinigkeiten große Bedeutung bekommen, denn sie staffiert ihre unheimliche Szenerie geschickt mit »sprechenden Requisiten« aus (die Objekte selbst werden zu Aussagen, wenn sie etwas bedeuten…). Doch es gibt auch direktere Hinweise auf das große Thema des Romans, so wird etwa die Popmusik als »übergroße Helle«685 bezeichnet, die uns immer wieder ins Dunkel stößt und die »alte Leier«686 ablöst, was als Hinweis auf Aussagen öffentlicher Personen, etwa Politiker, interpretiert werden kann, doch endlich dieses Kapitel der österreichischen Geschichte auf sich beruhen zu lassen (»… sprechen wir nicht mehr davon«687). Insgesamt werden die »öster- reichischen Lieder im Radio«688 als seichte Unterhaltung für unmusikalische Pensionisten und als Geschäftemacherei abgewertet (»…  damit der Sänger auch ordentlich kassiert«689). Die Volksmusik, der Austropop und verwandte Mu- sikgenres sind damit nach Jelinek zu jenen Trivialmythen zu zählen, die zur Ent-historisierung und Ent-politisierung gesellschaftlicher Diskurse beitragen. 682 KDT, S.  86. 683 Vgl. KDT, S.  19. 684 Zur Radiohörkultur der 1950er und 1960er Jahre vgl. Weber, Das Versprechen mobiler Frei- heit, S.  85–142. 685 KDT, S.  113. 686 KDT, S.  167. 687 KDT, S.  319. 688 KDT, S.  21. 689 KDT, S.  21. 223 »Die Kinder der Toten«  |
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Titel
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Untertitel
Eine historiografische Untersuchung
Autor
Sylvia Paulischin-Hovdar
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
328
Schlagwörter
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische Einführung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. Resümee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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