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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
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»Ist es übernatürliches Fleisch, das hier, da sies eben noch knusprig angebraten hat, dann doch verdirbt ? … Der Gestank legt sich wie eine Zierdecke über Haus, Garten, Wald.«765 »Auf der anderen Seite verbreiten die großen Scheiterhaufen einen solchen Gestank, daß die Gegend im Umkreis von vielen Kilometern verpestet ist.«766 Und schließlich bringt Jelinek in oben zitierter Textpassage die »kontrollinstan- zen der gesellschaft«767 zur Sprache (die »Medienmedizin«, die uns jeden Abend in die »Augenschluchten getropft wird«) : Sie füttern uns mit Trivialmythen und machen uns blind für die Schuld, die wir für die Millionen Toten tragen. Kom- pakter als in diesem kleinen Absatz hätte die Autorin die großen Themen ihres Romans kaum zusammenfassen können. Auch erfolgen in »Die Kinder der Toten« immer wieder Gegenüberstellungen der beiden für den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust hauptverantwortlichen Länder, Österreich und Deutschland, die in puncto Entfnazifizierung und Wie- dergutmachungsmaßnahmen von Seiten der alliierten Siegermächte nach 1945 äußerst unterschiedlich behandelt wurden und dementsprechend auch nach in- nen hin mit der Konfrontation von Schuld und Mitverantworung jeweils sehr ver- schieden umgegangen sind (»… Die Sieger, die waschen uns bald rein, damit wir ein paar Jahre später unbesorgt ihr Gewand anziehen und selber Sieger werden können.«768). In diesem Punkt stimmt Jelinek weitestgehend mit den Charakteri- sierungen des deutschen Soziologen Mario Rainer Lepsius überein, der die Termi- nologie der »Externalisierung« und »Internalisierung« von Schuld geprägt hat.769 »Einer muß das Gemüt ja tragen, und die Deutschen tragen es am liebsten (Inter- nalisierung, Deutschland), die geben es nicht an den Nachbarn ab (Externalisierung, Österreich), wenn sie müde werden.«770 Auch bezeichnen sich die Österreicher gerne als weniger obrigkeitshörig als die Deutschen  – eine immer wieder zitierte, gefällige Selbstcharakterisierung, die bei Jelinek ironisch zu verstehen ist. 765 KDT, S.  438. 766 KDT, S.  487  f. 767 Jelinek, Die endlose Unschuldigkeit, S.  53. Vgl. auch Kapitel  1.6.2 dieser Studie. 768 KDT, S.  497. 769 Zu den Begriffen »Externalisierung«, »Internalisierung« und »Universalisierung« von Schuld siehe Lepsius, Das Erbe des Nationalsozialismus, S.  250–264. Vgl. auch Kapitel  1.4.4 dieser Studie. 770 KDT, S.  497. 236 | Lektüre- und Deutungsvorschläge Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Titel
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Untertitel
Eine historiografische Untersuchung
Autor
Sylvia Paulischin-Hovdar
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
328
Schlagwörter
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische Einführung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. Resümee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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