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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
Seite - 256 -
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die Beschreibung des Sprechers in »Das Lebewohl«. Eine ähnliche Anspie- lung hatte Jelinek bereits in »Die Kinder der Toten« eingebaut : Auch dort bleckt ein junger Führer das Gebiss, dessen Zähne »Flammen« sind, die »das etwas schief geratene Gesichtsfabrikat«896 verbergen sollen. Die Regieanweisung, dass man für »Das Lebewohl« keine Mädchen nehmen könne, unterstreicht die Absicht einer rein männlichen Szenerie, in der jede Weiblichkeit, auch im Sexuellen, entbehrlich ist. Die Entbehrlichkeit geht da- bei bis zur totalen Eliminierung alles Weiblichen, wie vor allem an folgender Textpassage erkennbar wird, in der  – an der Textoberfläche  – auf Haiders La- mento im News-Artikel über die Abwesenheit seines langjährigen (politischen und persönlichen) Weggefährten und damaligen FPÖ-Generalsekretärs Peter Westenthaler während seiner Abschieds-Pressekonferenz hingewiesen wird : »Der Obmann leider das Knie zum zweiten Mal gebrochen, der Allerbeste, der Erste der Knaben. Ich nehme ihn an meine Brust, das ist nicht Milch, da bin nur ich Starker, komm, Knabe, zerbeiß die Brust, bis rote Klumpen bleiben…«897 Die Texttiefenstrukturen jedoch brechen mit dem Urbild von Weiblichkeit, dem Nähren des Säuglings an der Brust, was hier der »Führer« übernimmt, nicht ohne zugleich auf Bilder des Kriegs (Blut, Schmerz, Machtkampf) zu verweisen, denn der Genährte zerbeißt die Brust, die keine Milch gibt, bis Blut kommt : möglicherweise ein aus der »Orestie« entlehntes (Alp-)Traumbild Klytaimestras von einem Drachen, den sie zur Welt bringt und der beim Trinken der Mutter- milch Blut aus der Brust saugt  – eine Schreckensvision ihres bevorstehenden Untergangs.898 An der zitierten Passage aus dem »Lebewohl« können bereits wesentliche Aussagen des Monologs abgelesen werden, die auf die im theoreti- schen Teil dieser Studie genannten Charakteristika faschistischer Parteien und Regime verweisen, denn die Eliminierung des Weiblichen ist im Motivfeld der patriarchalen, faschistischen Abwertung der Frau zu finden.899 In Hinblick auf den Nationalsozialismus hat sich vor allem Hitlers Kampfruf, das »Schlachtfeld der Frau« sei der Kreißsaal900, eingeprägt, was den tatsäch- lichen Lebensrealitäten von Frauen im Nationalsozialismus natürlich nicht entsprechen konnte. Diese waren weitaus vielschichtiger und ebenso wie alle anderen Lebensbereiche zwischen 1933/38 und 1945 nach rassistischen Denk- 896 KDT, S.  46. 897 KDT, S.  19. 898 Vgl. Aischylos, Orestie, S.  95. 899 Vgl. Lücke, Gespenster, S.  99. 900 Vgl. Mosse, Der nationalsozialistische Alltag, S.  66. 256 | Lektüre- und Deutungsvorschläge Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Titel
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Untertitel
Eine historiografische Untersuchung
Autor
Sylvia Paulischin-Hovdar
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
328
Schlagwörter
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische Einführung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. Resümee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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