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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
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Die Figur vollzieht in dieser Passage eine für Haider typische verbale Kehrt- wendung, mit der das Beharren auf dem eigenen Standpunkt deutlich gemacht, gleichzeitig aber das vom vermuteten Gegenüber eingeforderte Schuldeinge- ständnis dargebracht wird. Die offensive Formulierung »Wenn Sie so wollen« impliziert dabei, dass das Eingeständnis seiner eigenen Meinung nicht ent- spricht und er dies auch öffentlich gesagt haben will, ohne sich damit aber ju- ristisch angreifbar zu machen.930 Diese wie auch ähnliche Floskeln wurden von Haider gebraucht, wenn er sich in die Ecke gedrängt fühlte. Als er im Februar 1985 in einem profil-Interview gefragt wurde, ob er Schwierigkeiten damit habe, von Vergasungen und Massenmord im Nationalsozialismus zu sprechen, ant- wortete er ausweichend : »Wenn Sie so wollen, dann war es halt Massenmord.«931 Dieses verbale Spiel, ein ständiges Mäandern zwischen Schuldeingeständnis und Verurteilung auf der einen Seite sowie Leugnung und trotziger Selbstüber- höhung auf der anderen Seite, legt Jelinek ihrer Haider-Figur in den Mund, führt es fort und variiert es : »Es waren abscheuliche, einmalige Verbrechen. Sowas wird’s nie wieder geben. Es war einmal, es ist nicht mehr. Nie wieder, sagen wir ! Nie wieder ! Und schon bekommen wirs frisch herein, wir warens zwar, gut, wenn Sie so wollen unbedingt, und wenn wir jemand gekränkt haben, wir bedauern, aber haben wir nicht Recht ?«932 »Früher waren wir der Tod, wir entschuldigen uns und sind hiemit entschuldet. Wenn Sie so wollen, dann waren wirs halt.«933 »Diese Verbrechen waren so entsetzlich verbrecherisch, das kann ich ohne Nachsicht sagen. Jetzt sprechen wir so und denken anders und wo anders, herrlich, herrlich ! Aber entsetzlich natürlich schon auch.«934 Diese Aussagen des Sprechers stellen eindeutige Anspielungen auf umstrit- tene Haider-Zitate dar, mit denen dieser als einflussreicher Politiker zur Ver- 930 Im Staatsvertrag hat sich Österreich dazu verpflichtet, »alle Spuren des Nationalsozialismus« zu tilgen. Das Verbotsgesetz bedroht jeden mit Strafe, der »irgendwie« für nationalsozialisti- sche Ziele wirbt. Auch die »Verharmlosung« ist strafbar. Vgl. Scharsach, Haiders Kampf, S.  7. 931 Haider, zitiert nach : Czernin, Wofür ich mich meinetwegen entschuldige, S.  16. 932 LW, S.  13  f. 933 LW, S.  14. 934 LW, S.  17. 262 | Lektüre- und Deutungsvorschläge Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Titel
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Untertitel
Eine historiografische Untersuchung
Autor
Sylvia Paulischin-Hovdar
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
328
Schlagwörter
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische Einführung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. Resümee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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