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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
Seite - 272 -
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ter-Position vorgenommen wird, ist ein typisches Charakteristikum faschisti- scher Systeme. Im Nationalsozialismus wurden vor allem Juden und »Bolsche- wisten« als angebliche Feinde der inneren Sicherheit und des ökonomischen Gleichgewichts verfolgt und bekämpft. Die zeithistorische Forschung spricht in diesem Zusammenhang von der »Exklusion«992 Gemeinschaftsfremder. Der italienische Fascismo unter Benito Mussolini hatte sich die Ausschaltung der sozialistischen, kommunistischen, liberalen und demokratischen Kräfte zum Ziel gesetzt. Die im Faschismus sowohl verbal als auch mit Waffengewalt ausge- tragene Bekämpfung vermeintlicher Feinde diente einerseits der Abschreckung nach außen sowie andererseits der Festigung des Zusammenhalts nach innen.993 In ihrem Text deckt Jelinek »Krebsgeschwüre eines wuchernden faschisti- schen Einheits- und Gemeinschaftswillens« auf, so Bärbel Lücke, der »das ver- einnahmt, was dazugehören soll und das vernichtet, was nicht dazu gehört«994. Als sehr klarer und eindeutiger Hinweis auf diesen tumorartigen Gemein- schaftsgeist kann etwa folgende Textstelle herangezogen werden : »Wir sind alle, und wer noch fehlt, den verrechnen wir nachher miteinander. Mit dem rechnen wir ab. … Wir sind angefordert von jedem, der da ist : anständig, tüchtig, flei- ßig. Die vielen zählen nicht mehr, denn wir sind jetzt da. Wir sind alle.«995 Die im Text als rekurrent auffällige Formulierung »Wir sind alle« drückt die Konfrontation aus zu den »vielen«, die »nicht mehr zählen«, also als Feinde be- trachtet werden und übergangen oder sogar ausgeschaltet werden sollen. Denn der unbedingte Wille zur Gemeinschaft bringt die Notwendigkeit mit sich, je- den, der diese zu Fall bringen könnte, zu eliminieren. Dieses Phänomen konnte in Realität im Kriegswinter 1942/43 beobachtet werden, als Propagandaminister Goebbels die kriegsmüde Bevölkerung des Deutschen Reichs (dieses nunmehr an zwei Fronten verstrickt, von Luftangriffen der Engländer gezeichnet und unter dem Schock der Katastrophe von Stalingrad) auf den »Totalen Krieg« einschwor, was eine fanatisierte Menge im Sportpalast mit frenetischem Bei- fall und »Sieg Heil«-Rufen bejubelte.996 Erschreckenderweise scheint der Zu- sammenhalt einer Gemeinschaft letzten Endes immer umso stärker zu sein, je stärker die Abgrenzung gegen die (wie auch immer definierten) »anderen«  – in Jelineks Text »die vielen«  – ausgelebt wird. 992 Vgl. Kapitel  1.4.1 dieser Studie. 993 Vgl. Wippermann, Hat es Faschismus überhaupt gegeben, S.  56. 994 Lücke, Gespenster, S.  111. 995 LW, S.  15. 996 Vgl. Studt, Das Dritte Reich in Daten, S.  206  f. 272 | Lektüre- und Deutungsvorschläge Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Titel
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Untertitel
Eine historiografische Untersuchung
Autor
Sylvia Paulischin-Hovdar
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
328
Schlagwörter
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische Einführung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. Resümee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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