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8 Auf den Spuren der rasenden Reporter · Vorwort
handelt es sich um raffiniert komponierte Geschich-
ten in Bildern und Bildserien.
Dieses Buch rekonstruiert am Beispiel Österreichs
die Gründungsjahre und -jahrzehnte des modernen
Fotojournalismus. Es folgt den frühen Pionieren auf
ihren Streifzügen, schildert den Arbeitsalltag der
Fotografen und wirft einen Blick in die Redaktio-
nen, wo die illustrierten Zeitungsseiten hergestellt
werden. An konkreten Beispielen wird gezeigt, wie
aus fotografischem Rohmaterial Bildnachrichten und
Fotoreportagen zusammengesetzt werden. Dass das
Spektrum an Themen und Zugängen überaus breit
ist, ist kein Zufall. Denn im Unterschied zu den her-
kömmlichen Atelierfotografen, deren inhaltliches und
ästhetisches Repertoire überschaubar ist, lichtet der
Zeitungsfotograf alles ab, was für eine neugierige
Öffentlichkeit von Interesse ist. Er fotografiert den
Kaiser und den Kanzler, Fußballer und Bühnenstars,
Ganoven und Priester. Seine Neugier kennt keine
Grenzen, sein hauptsächlicher Arbeitsplatz ist die
Straße und der öffentliche Raum. Der Pressefotograf
hält die entscheidenden Augenblicke eines Fußball-
matchs fest, er dokumentiert Wahlkämpfe, Streiks
und politischen Aufruhr. Aber er erzählt in seinen
Bildern auch von der Welt der kleinen Leute und den
unscheinbaren Begebenheiten des Alltags.
Um die weitverzweigte Welt der Pressefotografie
rekonstruieren zu können, ist es notwendig, sich
nicht nur auf die biografischen Spuren der Pressefoto-
grafen zu begeben, sondern auch den breit gestreuten
Themen und Geschichten, die sie im Laufe der Jahre
festhielten, zu folgen. In einzelnen Kapiteln dieses
Buches werden Bildreportagen aus all jenen Gesell-
schaftsbereichen vorgestellt, die in der ersten Hälf-
te des 20. Jahrhunderts Eingang in die illustrierten
Zeitungsseiten fanden: Politik und Sport, Mode und
Werbung, Alltag und Krieg, um nur einige Beispiele
zu nennen. Natürlich werden auch die illustrierten
Medien, in denen die Fotos erschienen, eingehend
untersucht. Entlang der originalen Bildseiten der
Zeitungen, Zeitschriften und Magazine lässt sich bei
genauerem Hinsehen ein facettenreiches kulturge-
schichtliches Panorama entfalten.
Wer sich mit Zeitungsfotografie beschäftigt, muss
freilich, um kulturhistorisch fündig zu werden, den Hochsitz der Kunst zwangsläufig verlassen. Fotogra-
fie, wie sie hier vorgestellt wird, ist ihrem ursprüngli-
chen Anspruch nach kein künstlerisches, sondern ein
Gebrauchsmedium. Im Zentrum der Untersuchung
stehen daher nicht herkömmliche kunsthistorische
Fragestellungen an die Fotografie, vielmehr geht es
darum, den vielfältigen sozialen und politischen Ge-
brauchsweisen des Mediums auf die Spur zu kom-
men. Unter anderem bedeutet das, den Eintritt der
Pressefotografie in die Zirkulation der massenme-
dialen Warenwelt genauer zu untersuchen. Immer-
hin etablierte sich die Pressefotografie von Anfang
an als kommerzielles Medium. Pressebilder wurden
hergestellt, um gehandelt, verkauft und kommerziell
erfolgreich veröffentlicht zu werden. Schon sehr früh
entstanden Fotoagenturen, die einen regen Handel
mit Bildern betrieben. Bereits um die Wende zum
20. Jahrhundert entwickelte sich die Pressefotografie
zum international vernetzten Geschäft. Die zahlrei-
chen Streifzüge durch die Bildwelten der illustrierten
Presse, die ich in diesem Buch unternehme, ergeben
in der Zusammenschau also eine neu gewichtete
Geschichte der Fotografie. An die Stelle einer klassi-
schen Kunstgeschichte tritt hier eine Medien-, Kultur-
und Alltagsgeschichte des Mediums.
Die folgende Untersuchung hält eine Reihe von
Entdeckungen bereit. Das betrifft nicht zuletzt die
Protagonisten dieses Buches, die Fotografinnen und
Fotografen. Nicht wenige von ihnen waren bisher
kaum oder wenig bekannt. Das hat auch damit zu tun,
dass im Berufsbild des Fotografen die Arbeit für die
Presse lange Zeit als minderwertige Tätigkeit galt. Es
ist mir daher ein großes Anliegen, den vergessenen
und verkannten Pionieren der frühen Pressefotogra-
fie ein Profil zu verleihen. Im biografischen Anhang
habe ich zahlreiche Lebens- und Berufsgeschichten
von Pressefotografinnen und -fotografen, die in Öster-
reich tätig waren, zusammengestellt. Diese Einträge
ergeben in der Summe eine aufschlussreiche Kollek-
tivbiografie eines neuen journalistischen Berufs, je-
ner des Pressefotografen. Dieser hat wesentlich dazu
beigetragen, dass das 20. Jahrhundert zum Jahrhun-
dert der Bilder wurde.
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts haben wir uns
längst an die fotografische Öffentlichkeit gewöhnt.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Untertitel
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Autor
- Anton Holzer
- Verlag
- Primus Verlag
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Abmessungen
- 23.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang