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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
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53Die fotografische Öffentlichkeit entsteht nation kommt vor. Die noch recht statische Fotografie wird mit zeichnerischen Interventionen in Bewegung gesetzt. Ein Beispiel dafür ist eine fotografische Auf- nahme aus der österreichischen Staatsdruckerei in Wien. Um das Bild zu dramatisieren, wurden menschlichen Figuren, die sich bewegen (Arbeiter und Passanten), mit den Mitteln der Zeichnung er- gänzt (Abb. 3). Noch bis zur Jahrhundertwende, teilweise aber auch noch länger, beschäftigt jede größere illustrier- te Zeitung neben freien auch fest angestellte Presse- zeichner. Diese „Spezialzeichner“ – so werden sie in der zeitgenössischen Berichterstattung genannt – ha- ben vor der Ankunft der Fotografie die Aufgabe, wich- tige aktuelle Ereignisse in aussagekräftige Bilder umzusetzen. Oft zeichnen sie vor Ort, viel häufiger aber arbeiten sie nach übermittelten Erzählungen und Berichten oder nach fotografischen Vorlagen in der Redaktion oder zu Hause. Viele Zeichner arbeiten anonym, einige wenige bringen es jedoch zu einiger Popularität. Für Das interessante Blatt beispielswei- se arbeiten vor der Jahrhundertwende regelmäßig die Zeichner E. Gärtner, R. Heber, S. Ohnesorg und Bälz. Besonders häufig vertreten ist der aus Ungarn stammende Zeichner, Grafiker und Lithograf Alfons Giehsz, geb. 1850, der besonders viele Titelblätter für Das interessante Blatt gestaltet.6 Für die Wiener Bilder zeichnen u. a. Louis Janda und Fritz Winter, für die Österreichische Illustrierte Zeitung A. Bienert. Nach 1890 verdrängt das neue Medium der Foto- grafie in der illustrierten Wochenpresse allmählich die gezeichneten Bilder. Fotografien werden nun nicht mehr, wie bisher üblich, in ein älteres, etabliertes, weithin anerkanntes „artistisches“ Medium, den Holzstich, übersetzt, sondern nach einer aufwendigen technisch-chemischen Bearbeitung und der Umwand- lung in ein gerastertes Bild direkt auf Papier gedruckt (Autotypie). Die Herausbildung dieser fotografischen Öffentlichkeit in den Jahren nach 1890, darauf weist der Fotohistoriker Ulrich Keller zu Recht hin, ist ein komplexer historischer Prozess, der von technischen, kommerziellen, sozialen, politischen und ideologi- schen Entwicklungen bestimmt wird.7 Rein technisch wäre der Einsatz von Fotos im Mas- sendruck schon Anfang der 1880er Jahre möglich ge- wesen. Aber erst ein Jahrzehnt später, ab Anfang der 1890er Jahre, beginnen die Zeitungen in die techni- sche Ausstattung des Fotodrucks zu investieren. Erst als es kommerziell gewinnbringender ist, Fotos statt Zeichnungen zu verwenden, setzt sich das neue Medi- um rasch durch. Das Foto wird nun zum Leitmedium, das die bisher vorherrschende Zeichnung nach und nach verdrängt. Mit diesem Medienwechsel verbun- den ist die rasante Zunahme von veröffentlichten Fotografien. Die illustrierten Zeitungen drucken Jahr für Jahr mehr Bilder, der Umfang der illustrierten Zeitungen nimmt kontinuierlich zu. Allein Das inter- essante Blatt druckt um die Jahrhundertwende Woche für Woche 30 bis 40 Bilder. Das ergibt in 25 Jahren 40 000 bis 50 000 Klischees, so rechnet der Herausge- ber der Zeitung 1907 seinen Lesern zum 25-jährigen Jubiläum der Zeitung vor.8 Der Großteil davon sind in den Jahren nach 1900 Fotografien. Um diese Bildermenge beschaffen und bearbeiten zu können, braucht es Spezialisten. Nach der Jahr- Abb. 3  Motorenhof  in  der  Ös- terreichischen  Staatsdruckerei  in  Wien.  Das interessante Blatt,  28.  Dezember  1893,  S.  4.  Foto:  Charles  Scolik.
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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Untertitel
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Autor
Anton Holzer
Verlag
Primus Verlag
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-86312-073-3
Abmessungen
23.0 x 29.0 cm
Seiten
498
Schlagwörter
Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
Kategorie
Medien

Inhaltsverzeichnis

  1. Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
  2. Neue illustrierte Welt Einleitung 10
  3. Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
  4. Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
  5. Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
  6. Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
  7. Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
  8. Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
  9. Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
  10. Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
  11. Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
  12. Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
  13. Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
  14. Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
  15. Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
  16. Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
  17. Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
  18. Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
  19. Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
  20. Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
  21. Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
  22. Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
  23. Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
  24. Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
  25. Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
  26. Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
  27. Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
  28. Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
  29. Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
  30. Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
  31. Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
  32. Anhang
    1. Anmerkungen 446
    2. Fotografinnen und Fotografen 1890 bis 1945 Biografische Notizen 466
    3. Literatur 483
    4. Zeitungen und Zeitschriften 490
    5. Index 491
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