Seite - 73 - in Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
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73Satz,
Druckerei, Auslieferung
schließen sich ein großer Sitzungssaal für den Ver-
waltungsrat, sowie das Bureau des Präsidenten an.
Im selben Stockwerk ist der Zweckmäßigkeit
halber auch der Zeichensaal sowie die chemigraphi-
sche Kunstanstalt eingerichtet. Unsere Bilder zeigen
das photographische Atelier (Abb. 3), das mit den
modernsten Reproduktionsapparaten ausgestattet
ist. Jeder einzelne hier beschäftigte Photograph hat
seine eigene Dunkelkammer, um ungehindert ar-
beiten zu können. Die Bilder-Klischees werden nach
einem neuen, ‚Drakopie‘ genannten, Verfahren, der
Erfindung des bekannten Reproduktions-Technikers
Doktor Albert in München, das sonst in Österreich
bisher nirgends eingeführt ist, hergestellt. Durch
dieses Verfahren sind wir in der Lage, die Klischees
auf unvergleichlich schnellerem Wege, als das bisher
möglich war, herzustellen. An das photographische
Atelier schließt sich der Kopierraum, die Ätzerei und
der Montageraum.
Die fertigen Klischees werden mittelst Aufzu-
ges sofort in den Maschinensaal hinabbefördert.
Sämtliche Aufnahmen werden ausschließlich bei
elektrischem Licht gemacht, ebenso wird nur bei
elektrischem Licht kopiert, um von den Vorteilen
der besonderen Raschheit unseres Verfahrens zu
jeder Tageszeit profitieren und, unabhängig vom Ta-
geslicht, unsere Klischees stets in derselben Weise
herstellen zu können. Die mit allen Hilfsmaschinen
reichlich ausgestattete Abteilung ist nicht nur für den
internen Bedarf des Blattes berechnet, vielmehr set-
zen uns ihre glänzenden technischen Einrichtungen
in die Lage, auch allen von auswärtigen Kunden an
uns gestellten Anforderungen auf dem Gebiete des
Klischeewesens nachzukommen und derartige Auf-
träge bei kürzester Lieferfrist tadellos auszuführen.“8
Die Herstellung der fotografischen Klischees – in
Zink, Kupfer oder Messing – gehört zu den teuersten
und technisch aufwendigsten Arbeitsschritten im ge-
samten Bilderdruck. Viele Zeitungen lagern derartige
Arbeiten daher ganz oder teilweise aus. Zu den be-
kanntesten Wiener Kunstanstalten und Druckereien,
die chemigrafische Abteilungen unterhalten, gehören
um 1900 die Firmen Angerer & Göschl, Max Perlmut-
ter, Ludwig Albin Ebert, Max Jaffé, Philipp & Kramer,
die Graphische Union und – als eine Art Marktfüh- rer – Patzelt & Krampolek.9 Das interessante Blatt
verweist stolz darauf, dass im neuen Verlagsgebäude
diese bisher nach außen delegierten Arbeiten nun im
eigenen Haus erfolgen. Damit sind alle Arbeitsgänge
in der Herstellung einer Zeitung, nämlich Redaktion,
Klischeeanstalt, Setzerei, Druckerei und Auslieferung
(Expedition) unter einem Dach vereint.
Satz, Druckerei, Auslieferung
Wir kehren wieder zu unserem Rundgang zurück.
„Aus der Redaktion kommen die Manuskripte ein
Stockwerk tiefer in die Setzerei, wo der Satz für die
Zeitung hergestellt wird, um dann in der Stereoty-
pie (Abb. 4) in gebogene Blechklischees verwandelt
zu werden, wie man sie für die Rotationsmaschi-
nen braucht. Demgemäß befinden sich im ersten
Stockwerke die Hand- und Maschinensetzerei, die
Rund- und Flachstereotypie, die Kontorräume für die
Druckerei, die Korrektorenzimmer etc. In der Setzerei
sind zur Erleichterung der Reinlichhaltung die Wän-
de in der Höhe von zwei Metern mit waschbarem
Anstrich versehen. Vom hygienischen Standpunkt
ist, außer der guten Ventilation und der reichlichen Abb. 4 Die Stereotypieateilung.
Hier
werden die aus beweglichen
Lettern gesetzten Druckseiten
über
eine Matrize in Klischees
verwandelt.
Für den
Flachdruck
werden
ebene Druckplatten her-
gestellt, für
den Rotationsdruck
gebogene Blechklischees.
Im
Vordergrund die
Kessel zum
Gießen
der Bleiplatten. Das
interessante Blatt, 15.
Mai 1912,
S.
3.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Untertitel
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Autor
- Anton Holzer
- Verlag
- Primus Verlag
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Abmessungen
- 23.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang