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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
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80 Im Rampenlicht · Der Kaiser im Blick der Fotografen nerhalb weniger Jahre wandelt sich der Monarch vom zurückhaltenden, in statischen Posen fixierten Herr- scher zur allzeit präsenten, öffentlichen Figur. Erst unter dem Einfluss der massenhaft in der Zeitung gedruckten Fotografie wird der Kaiser allmählich zu jenem Monarchen, den wir kennen, zum „volksna- hen“ Souverän. Dieser Prozess der Umgestaltung des Kaiserimages wird von den neuen illustrierten Me- dien ebenso angestoßen wie vom Kaiser selbst, der ein zunehmendes Interesse an einer Inszenierung als populärer Souverän entwickelt. Die fotografische Be- richterstattung erscheint ihm nun als geeignetes Ins- trument, um sich als aktiver, um die Nähe zum Volk bemühter Herrscher in der Öffentlichkeit zu zeigen. Als der Kaiser im Juni 1895 an der alljährlich stattfindenden Fronleichnamsprozession durch die Wiener Innenstadt teilnimmt, sind erstmals etliche Fotografen unter den Zaungästen, die im Auftrag der Presse arbeiten. Wenige Tage später erscheint eines dieser Bilder im Interessanten Blatt, der auflagen- stärksten Illustrierten der Monarchie.6 Die Aufnah- me, die den Prozessionsszug am Graben zeigt, ist eines der ersten Pressefotos des Kaisers. Es stammt von einem Mitarbeiter der k. u. k. Hof-Buchhandlung R. Lechner (Wilh. Müller). Der Anlass der Aufnahme ist gut gewählt: Der Fronleichnamsumzug ist, neben seiner religiösen Bedeutung, ein gesellschaftliches und politisches Großereignis. Er ist ein öffentlich- keitswirksames Defilee vor allem des Adels und des Hofstaates: eine machtvolle Kundgebung des inners- ten Kreises der Monarchie. Im Zentrum der Fotogra- fie ist der Kaiser zu erkennen, hinter ihm der Zug der Prominenten. Im Hintergrund der Aufnahme fällt der Blick auf ein Holzgerüst mit Werbeanzeigen. Eine sticht besonders hervor. Es ist die Annonce des Inter- essanten Blattes. Es ist ein geschickter Schachzug, den Kaiser in bisher unbekannten Außenaufnahmen zu porträtieren und zugleich die Zeitung selbst visuell ins Spiel zu bringen. Als am 6. Mai 1898 anlässlich des 50-jährigen Regierungsjubiläums des Kaisers eine große „Jubi- läumsausstellung“ im Wiener Prater eröffnet wird, ist Franz Joseph von Fotografen umlagert, die für die illustrierte Presse arbeiten. Angetreten sind neben den traditionellen Atelierfotografen, wie etwa Rudolf Krziwanek, die unter dem Druck der Konkurrenz nun auch ins Freie gehen, junge, wendige Lichtbildner mit mobilen Apparaten. Unter ihnen sind Emil Fukarek, das Fotografenduo Heydenhaus & Robert und Viktor Angerer, der den Kaiser in den folgenden Jahren be- sonders häufig fotografiert. Bald stoßen zu diesen Fotografen weitere Lichtbildner hinzu, die ebenfalls gelegentlich den Kaiser, das Kaiserhaus oder die hohe aristokratische Gesellschaft fotografieren. Unter ih- nen sind Heinrich Schuhmann sen., Charles Scolik sen. und Carl Seebald. Einige von ihnen, etwa An- ton Huber, Josef Jahudka, Franz Pawlik oder Ruda Bruner-Dvorˇák, der aus Prag berichtete, haben ihre Karriere als Militärfotografen im Umfeld des Kaiser- hauses begonnen. Allmählich dehnen sie ihre „Zu- ständigkeit“ aus und begnügen sich nicht mehr mit Manöverbildern. Wie sehr sich die neuen, „journalistischen“ Kaiser- bilder von den starren, herkömmlichen Posen unter- scheiden, zeigt sich an einer Aufnahme, die im Juni 1900 im Interessanten Blatt erscheint.7 Sie zeigt den Besuch des Kaisers im Kaiser Franz Joseph-Ambu- latorium in Wien, das in der Sandwirtgasse 3 – 5 im 6. Wiener Gemeindebezirk untergebracht ist (Abb. 5). Das Foto stammt vom Fotografenduo Heydenhaus & Robert (Hermann Heydenhaus und L. von Robert).8 Die beiden Lichtbildner haben, wie viele andere Pressefotografen der ersten Generation, als Atelier- fotografen begonnen.9 Bald aber wenden sie sich auch der „Illustrationsphotographie“, d. h. der Zeitungsfo- tografie zu. Ab 1898 tauchen ihre Aufnahmen in der illustrierten Presse auf. Der Fotograf – ob Heydenhaus oder Robert die Aufnahme gemacht hat, lässt sich nicht rekonstruie- ren – nimmt die Szene aus einem erhöhten Blickwinkel auf. Er hat die Kamera vermutlich in einem Fenster auf der gegenüberliegenden Straßenseite positioniert, um einen möglichst umfassenden und unverstellten Blick auf den Eingang des Ambulatoriums werfen zu können. Im Bild deutlich sichtbar ist der Schriftzug „Kaiser Franz Joseph-Ambulatorium“, der an der Fas- sade angebracht ist. Seit 1888 hat die Institution das Privileg, den kaiserlichen Namen zu führen. Das Por- tal des Krankenhauses wurde eigens für den hohen Besuch festlich geschmückt. Vor dem Gebäude warten
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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Untertitel
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Autor
Anton Holzer
Verlag
Primus Verlag
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-86312-073-3
Abmessungen
23.0 x 29.0 cm
Seiten
498
Schlagwörter
Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
Kategorie
Medien

Inhaltsverzeichnis

  1. Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
  2. Neue illustrierte Welt Einleitung 10
  3. Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
  4. Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
  5. Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
  6. Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
  7. Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
  8. Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
  9. Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
  10. Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
  11. Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
  12. Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
  13. Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
  14. Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
  15. Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
  16. Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
  17. Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
  18. Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
  19. Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
  20. Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
  21. Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
  22. Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
  23. Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
  24. Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
  25. Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
  26. Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
  27. Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
  28. Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
  29. Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
  30. Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
  31. Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
  32. Anhang
    1. Anmerkungen 446
    2. Fotografinnen und Fotografen 1890 bis 1945 Biografische Notizen 466
    3. Literatur 483
    4. Zeitungen und Zeitschriften 490
    5. Index 491
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