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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
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88 Im Rampenlicht · Der Kaiser im Blick der Fotografen Exerzierplatz, auf Staatsbesuch und bei Empfängen zu sehen. Seinem fortgeschrittenen Alter trotzend, ist er höchst geschäftig und ständig auf den Beinen. Er tritt uns in strenger Dienstuniform entgegen und in legerer Lodenjoppe, mit und ohne Hut. Die Botschaft dieses in hoher Auflage unters Volk gebrachten Tab- leaus ist klar: So hat der Kaiser regiert und gelebt, so soll er in der Erinnerung weiterleben. Franz Joseph wird hier nicht in der Pose des güti- gen, entrückten und unnahbaren Herrschers gezeigt, wie sie die frühen Atelierbilder gerne verbreiteten. Vielmehr erscheint er vor allem als öffentliche Fi- gur, eine Rolle, die sich unter tatkräftiger Mithilfe der illustrierten Presse erst ab der Jahrhundertwen- de durchsetzt. Der Kaiser ist kein passives „Opfer“ dieser Imagekampagne, im Gegenteil, er spielt aktiv mit: Er absolviert zahlreiche Auftritte, lässt sich in der Öffentlichkeit gerne blicken und geht offenherzig auf sein „Volk“ zu. Es ist bemerkenswert, dass nun, nach seinem Tod, ein Bild verbreitet wird, das erst in den letzten eineinhalb Jahrzehnten seines Lebens entstanden ist. Die illustrierte Presse, in der dieses Image konstruiert wurde, hat also deutliche Spuren hinterlassen. Am 24. Dezember 1916, wenige Wochen nach dem Tod des Kaisers, erlebt dieser in der Fotografie noch einmal eine Auferstehung (Abb. 15).21 Charles Scolik, ein Meister der Fotomontage, lässt den alten Mon- archen, betend und in sich versunken, inmitten der Wolken erscheinen. Tief unter ihm ist schemenhaft die Silhouette einer Stadt zu sehen. Ein junger, weib- licher Engel fasst den Kaiser an den Schultern und weist mit der anderen Hand den Weg hinauf ins Licht. Dort prangt auf hellem Grund der Schriftzug „PAX“. Die Szene trägt den Titel „Friede“. Gemeint ist damit, mitten im Krieg, wohl nicht nur der Seelenfrieden des Verstorbenen, sondern auch der „Weihnachtsfrieden“ und wohl auch die Hoffnung auf ein Ende des Krie- ges, der nun schon zwei Jahre andauert. Karl, der Propagandakaiser Kaiser Karl I., der junge Nachfolger des verstorbe- nen greisen Monarchen, beginnt seine Regentschaft mit einem Feuerwerk der Propaganda – in eigener Sache. Am 20. Februar 1917 wird „auf allerhöchsten Befehl“ ein eigener „Pressedienst für die Allerhöchs- ten Herrschaften“ eingerichtet.22 Zum Leiter dieser neuen Propagandaeinrichtung wird Hauptmann Karl Werkmann bestimmt. Der Pressedienst dient aus- schließlich dazu, Öffentlichkeitsarbeit für den Kaiser zu betreiben. Er soll, so Werkmann, „die Anhänglich- keit und Liebe der Bevölkerung zum Kaiserhause vertiefen“ und hat die Aufgabe, „unrichtigen, wenn auch liebevollem Interesse entspringenden Nachrich- ten über die Allerhöchsten Herrschaften durch recht- zeitige Verbreitung zutreffender Nachrichten vorzu- beugen“ und „bei der Unterdrückung unwahrer oder ungelegener Nachrichten, sowie bei der Berichtigung unwahrer Nachrichten mitzuwirken“.23 Abb. 16  Kaiser  Karl  I.  zu  Be-  such  in  Innsbruck.  Er  sitzt  im  offenen  Auto  auf  dem  Rücksitz.  Wiener Bilder,  10.  Februar  1918,  Titelseite.  Foto:  Heinrich  und  Ludwig  Schuhmann.
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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Untertitel
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Autor
Anton Holzer
Verlag
Primus Verlag
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-86312-073-3
Abmessungen
23.0 x 29.0 cm
Seiten
498
Schlagwörter
Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
Kategorie
Medien

Inhaltsverzeichnis

  1. Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
  2. Neue illustrierte Welt Einleitung 10
  3. Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
  4. Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
  5. Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
  6. Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
  7. Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
  8. Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
  9. Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
  10. Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
  11. Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
  12. Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
  13. Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
  14. Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
  15. Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
  16. Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
  17. Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
  18. Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
  19. Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
  20. Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
  21. Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
  22. Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
  23. Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
  24. Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
  25. Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
  26. Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
  27. Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
  28. Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
  29. Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
  30. Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
  31. Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
  32. Anhang
    1. Anmerkungen 446
    2. Fotografinnen und Fotografen 1890 bis 1945 Biografische Notizen 466
    3. Literatur 483
    4. Zeitungen und Zeitschriften 490
    5. Index 491
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