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112 Mit der Kamera bewaffnet · Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg
bildstelle im KPQ übernimmt ab Frühjahr 1917 die
Funktion einer militärisch gelenkten Fotoagentur.
Sehr bald gelingt es ihr, eine dominierende Rolle in
der Belieferung der Zeitungen einzunehmen. Zusam-
men mit den Bildern der deutschen Schwesterorgani-
sation, dem BUFA (Bild- und Filmamt), beherrscht sie
den intensiver werdenden Bilderkrieg. In den letzten
beiden Kriegsjahren stammt ein Großteil der Kriegs-
fotos aus diesen beiden militärischen Quellen, die
privaten Fotoagenturen verlieren deutlich an Boden.
Die militärische Propagandaeinrichtung steuert nicht
nur das Bild des Krieges in der illustrierten Presse,
sondern setzt ein breites Spektrum an Bildmedien
für ihre Zwecke ein. Sie finanziert und kontrolliert
die Filmproduktion, liefert Bildmaterial für Propa-
gandabücher und -broschüren, druckt Plakate und Fo-
tovergrößerungen für den öffentlichen Aushang und
vertreibt Propagandapostkarten in großer Zahl. Die
Fotografie, die zu Beginn des Krieges noch eine un-
tergeordnete Rolle im Propagandakrieg gespielt hat,
steigt nun zum Leitmedium auf.
Dieser Aufstieg geht mit einem rapiden Bedeu-
tungsverlust der Zeichnung einher. In allen Berei-
chen der Kriegsberichterstattung löst im Laufe des
Krieges das inzwischen als „authentischer“ geltende
Medium Fotografie die Zeichnung ab – mit einer Aus-
nahme, der Darstellung von Kampfszenen. Zwischen
1914 und 1918 werden nur sehr wenige aktuelle Fotos
von Kämpfen veröffentlicht. Häufiger werden gestell- te Aufnahmen als tatsächliche Kämpfe ausgegeben.
Noch häufiger werden Kampfszenen mittels Zeich-
nungen eingefangen. Denn die Dramatik und Unmit-
telbarkeit, die sie vermitteln, ist mit fotografischen
Bildern nicht zu erreichen.
Im Oktober 1914 wird in den Wiener Bildern eine
gezeichnete Kampfszene veröffentlicht, die die Vorzü-
ge der Zeichnung gegenüber der Fotografie gut illust-
riert (Abb. 7). Die dramatische Nahkampfszene spielt
an der Ostfront, im gebirgigen Gelände der Karpa-
tenpässe. Der Zeichner H. Pankratz führt uns mitten
hinein in das Geschehen. Im linken unteren Bereich
sind die unterlegenen Russen zu sehen, die sich mit
ihren Bajonetten verzweifelt gegen den Ansturm
der ungarischen Truppen zu wehren versuchen.
Letztere stürzen sich mit erhobenen Gewehren ins
Kampfgetümmel und bleiben – so verdeutlicht der
Bildtext – siegreich. Die russischen Heeresabteilun-
gen werden, wie könnte es anders sein, „von den un-
garischen Truppen geschlagen“.24 Die Inszenierung
einer derart dramatisch zugespitzten Kampfszene
Abb. 7 Kämpfe in den Karpa-
ten, Herbst 1914: „Russische
Heeresabteilungen,
die von un-
garischen
Truppen geschlagen“
werden. Wiener Bilder, 11.
Ok-
tober 1914, S.
7. Zeichnung:
H. Pankratz.
Abb. 8 „Einzug unserer
Truppen in Lemberg“. Nach der
Rückeroberung der ostgalizi-
schen Hauptstadt am 22.
Juni
1915
kommt es zu einer großen
Siegesfeier. Die Soldaten
werden
von der Bevölkerung
gefeiert. Das interessante Blatt,
8.
Juli
1915, Titelseite. Foto:
Josef Perscheid.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Untertitel
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Autor
- Anton Holzer
- Verlag
- Primus Verlag
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Abmessungen
- 23.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang