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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
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130 Theater der Macht · Parlament und Politik in Bildern Worten wendet sich der Heimwehrführer Richard Steidle im „Korneuburger Eid“ am 18. Mai 1930 an seine Kameraden.45 Die christlichsoziale Regierung, die mit der Heimwehr auf vielfältige Weise personell verbunden ist, gibt sich vorsichtiger. Engelbert Doll- fuß, der 1932 Bundeskanzler wird, hält – zunächst noch – an der parlamentarischen Demokratie fest. In der Öffentlichkeit tritt er gerne als gütiger Überva- ter des Staates auf. Für seine Medienauftritte wählt er, das fällt auf, nicht das Parlament, sondern meist volksnahe politische Massenveranstaltungen. Im In- teresse seiner eigenen Popularität tritt er aber auch als „Privatmann“ vor die Kamera. Im Dezember 1932 lädt er die Presse zu sich nach Hause ein. Die Politi- ker-Homestory – ein in diesen Jahren noch überaus seltenes Medienformat – erscheint wenige Tage vor Weihnachten (Abb. 15). Wir sehen den Kanzler in seinem Wohnzimmer beim Spielen mit seinen beiden Kindern Rudolf und Eva. Der Junge und das Mädchen sitzen auf dem Boden. Hinter ihnen kniet Vater Doll- fuß – staatsmännisch im Anzug – und stapelt Bau- klötze aus Holz übereinander. Inmitten einer schwe- ren Wirtschaftskrise tritt der Regierungschef als Familienmensch vor die Kamera. Er gibt Einblick in sein privates Leben und signalisiert, dass er nicht nur seinen Kindern ein guter Vater, sondern auch dem gebeutelten Volk ein sorgender Kanzler ist. Dollfuß ist überaus geschickt im Umgang mit den Medien. Von Anfang an weiß er sie für sich und seine politischen Ziele zu instrumentalisieren. Bald aber zeigt sich Dollfuß von einer anderen Seite. Im März 1933 nutzt er eine turbulente, kon- fliktreiche Parlamentssitzung, um in einer Art juristi- schem Staatsstreich ein autoritär regierendes Regime zu errichten. Eine am 4. März unterbrochene Sitzung soll nach dem Willen der Oppositionsparteien am 15. März 1933 fortgesetzt und ordnungsgemäß ge- schlossen werden. Als die oppositionellen Delegierten an diesem Tag das Parlament betreten wollen, wer- den sie von der Polizei behindert. Ein Foto, das Tage später auf der Titelseite der Wiener Bilder erscheint, zeigt, wer nun im und vor dem Parlament das Sagen hat: die Polizei, im Auftrag der autoritären Regierung (Abb. 16). Zum Zeichen, dass das Parlament nicht mehr tagt, werden auf Anordnung der Regierung die Parlamentsfahnen (links neben dem Polizisten) ein- geholt. Das Parlament ist fortan ausgeschaltet, Dollfuß regiert mittels eines aus dem Kriegsjahr 1917 stam- menden Ermächtigungsgesetzes. Die Sozialdemokra- ten stemmen sich mit aller Kraft gegen die autoritäre Regierung. Am 2. April 1933 prangert die sozialde- mokratische Illustrierte Kuckuck auf ihrem Titelblatt die Aushebelung des Parlamentarismus an (Abb. 17). Die Montage, die vom Chefredakteur Siegfried Weyr zusammengestellt wurde, kombiniert ein Foto des Parlaments mit einem kraftvollen Handschlag der Solidarität im Vordergrund. „Österreich ist eine de- mokratische Republik ...“ – die Zeile aus der Verfas- sung erhält einen kämpferischen Zusatz: „und wird es bleiben, trotz alledem!“ Die Zeitung sollte unrecht behalten. Die Diktatur Dollfuß baut den Staat in den folgenden Monaten zu einer Diktatur um. Oppositionelle Parteien und Organisationen werden nach und nach verboten. In Wien kommt es zur Kraftprobe zwischen der christ- lichsozialen autoritären Regierung und der weiterhin amtierenden sozialdemokratischen Stadtverwaltung. Abb. 15  Der  österreichische  Kanzler  Engelbert  Dollfuß  „privat“:  Kurz  vor  Weihnachten  1932  lässt  er  sich  zusammen  mit  seinen  beiden  Kindern  Rudolf  und  Eva  beim  Bau- kastenspiel  ablichten.  Das inter- essante Blatt,  22.  Dezember  1932,  S.  2.  Foto:  Telephot.
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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Untertitel
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Autor
Anton Holzer
Verlag
Primus Verlag
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-86312-073-3
Abmessungen
23.0 x 29.0 cm
Seiten
498
Schlagwörter
Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
Kategorie
Medien

Inhaltsverzeichnis

  1. Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
  2. Neue illustrierte Welt Einleitung 10
  3. Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
  4. Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
  5. Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
  6. Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
  7. Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
  8. Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
  9. Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
  10. Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
  11. Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
  12. Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
  13. Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
  14. Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
  15. Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
  16. Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
  17. Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
  18. Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
  19. Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
  20. Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
  21. Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
  22. Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
  23. Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
  24. Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
  25. Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
  26. Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
  27. Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
  28. Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
  29. Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
  30. Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
  31. Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
  32. Anhang
    1. Anmerkungen 446
    2. Fotografinnen und Fotografen 1890 bis 1945 Biografische Notizen 466
    3. Literatur 483
    4. Zeitungen und Zeitschriften 490
    5. Index 491
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