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133Die
Diktatur
fassung sind vier der Regierung unterstellte beraten-
de Organe vorgesehen: der Staatsrat, der Bundeskul-
turrat, der Bundeswirtschaftsrat und der Länderrat.
Diese Einrichtungen ziehen nun in die Räume des
Parlaments ein. Mitte November 1934 widmet die
regierungstreue Bunte Woche dem ehemaligen Par-
lament neuerlich eine Bildseite (Abb. 20). Blickfän-
ger ist nicht das Gebäude selbst, sondern die in der
Inszenierung monumental erscheinende Statue des
Rossbändigers im Vordergrund. Unter das Foto ist ein
bezeichnendes Motto gesetzt: „Im alten Haus – ein
neuer Geist“. Damit wird die bisherige demokratische
Rolle des Parlaments der Vergangenheit zugeschlagen
und die neue Zeit der Diktatur beschworen.
Wie sehr das Parlament zur Kulisse für eine marti-
alischen Symbolpolitik der Regierung degradiert ist,
zeigt eine Aufnahme, die im Frühjahr 1937 entsteht
(Abb. 21). Die Frühjahrsparade auf der Ringstraße soll
die militärische Entschlossenheit des kleinen Staates unter Beweis stellen. Über das Pflaster rattern gepan-
zerte Kampfwagen, am Himmel sind Militärflugzeuge
zu erkennen. Das Parlament im Hintergrund ist in-
zwischen nicht mehr als ein architektonisches Relikt
aus vergangenen Zeiten. Das militärische Säbelras-
seln sollte den „Ständestaat“ freilich nicht vor dem
Druck des nationalsozialistischen Deutschen Reiches
bewahren. Ein Jahr später zieht Adolf Hitler im offe-
nen Wagen triumphierend über die Ringstraße. Am
15. März 1938 verkündet er auf dem Heldenplatz den
„Anschluss“ Österreichs an Deutschland. Nun ist das
Parlamentsgebäude auf der anderen Straßenseite end-
gültig obsolet geworden.
Abb. 20 „Im alten Haus
–
ein neuer Geist“. In der Ideologie des
diktatorischen
„Ständestaates“ hat
das „alte
Haus“, die parla-
mentarische
Demokratie, ausgedient. Im Gebäude soll, so die Bot-
schaft, ein „neuer Geist“
einziehen. Bunte Woche, 18.
November
1934, Titelseite. Abb. 21 Frühjahrsparade
auf
der Wiener Ringstraße vor dem
Parlament, April
1937. Das
interessante Blatt, 29.
April
1937, S.
5.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Untertitel
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Autor
- Anton Holzer
- Verlag
- Primus Verlag
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Abmessungen
- 23.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang