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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
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141Die Inszenierung der Massen im „Ständestaat“ Organisationen der politischen Gegner verboten, die Parteien und Medien der Kommunisten, der Natio- nalsozialisten und schließlich im Frühjahr 1934 der Sozialdemokraten. Die Inszenierung der Massen im „Ständestaat“ Es ist kein Zufall, dass sich die siegreichen Heim- wehrformationen im Mai 1933 im Schloss Schön- brunn, dem symbolischen Herzstück des habsburgi- schen Staates, zu einer großen Kundgebung einfinden (Abb. 11). Ihr Führer, Ernst Rüdiger von Starhemberg, hält von der habsburgischen Schlossterrasse aus eine Ansprache an 40 000 Heimwehrleute. Die Straßen der Hauptstadt sind nun, nach dem letzten Schlag gegen die Opposition, „befriedet“ und leer geräumt. Die neue Regierung knüpft symbolisch bewusst an das Haus Habsburg an. Zugleich beginnt sie damit, den öffentlichen Raum mit monumentalen staatstra- genden politischen Kundgebungen, die den neuen „Ständestaat“ feiern, in Besitz zu nehmen. Diese Strategie, die unter Dollfuß erstmals angewendet und nach seinem Tod 1934 von seinem Nachfolger Kurt Schuschnigg aufgegriffen wird, gipfelt in einer diktatorisch gelenkten Massenpolitik. Diese wird zentral organisiert und orchestriert, medial gelenkt und in ihren politischen Aussagen bis ins letzte Detail durchgeplant. Ab 1933 kommt es regelmäßig zu solchen Groß- kundgebungen auf der Straße und an öffentlichen Orten. Ende Januar 1933 etwa organisiert die Regie- rung eine Versammlung von rund 15 000 Anhängern der Vaterländischen Front auf dem Wiener Ballhaus- platz, also vor den Regierungsämtern, die die Politik von Kanzler Dollfuß symbolisch stärken. Auch im „Ständestaat“, der ein Jahr später ausgerufen wird, werden regelmäßig Aufmärsche und Kundgebun- gen veranstaltet. Den Auftakt der regierungstreuen Massenveranstaltungen bildet die Erste-Mai-Feier im Jahr 1934. Alle sozialdemokratischen Veranstaltun- gen sind verboten, dafür steht der Tag ganz im Zei- chen des neuen starken Mannes, des austrofaschis- tischen Kanzlers Engelbert Dollfuß, der an diesem Tag feierlich die neue (diktatorische) Verfassung des „Ständestaates“ verkündet. Der bisherige sozialdemo- kratische Tag der Arbeit wird zum Feiertag für den neuen „Ständestaat“ umfunktioniert. Der Kanzler selbst steht im Mittelpunkt dieser Inszenierung, die sich über den gesamten Tag erstreckt und eine Art politisches Gesamtkunstwerk darstellt. Eingeleitet wird der Reigen an Veranstaltungen mit einem Fest- gottesdienst im Wiener Stephansdom, an dem Doll- fuß teilnimmt.9 Anschließend findet im Praterstadion eine sogenannte „Kinderhuldigung“ statt. Auf Geheiß der Regierung haben sich 50 000 Schulkinder einge- funden, die dem „neuen Österreich“ (und natürlich auch dem Kanzler, der anwesend ist) huldigen. Lothar Rübelt hält diese politische Massenszene, die nach den Vorstellungen der Regierung durchgeplant ist, in einer panoramaartigen Aufnahme fest (Abb. 12). Er hat mit seiner Kamera in den oberen Rängen des Sta- dions Platz genommen, um die Menschenmassen im riesigen Oval möglichst vollständig und monumental erfassen zu können. Tage später erscheint das Bild auf einer Doppelseite im Interessanten Blatt.10 Am selben Tag um elf Uhr vormittags hält Dollfuß eine große Rede über „Das neue Österreich“, die – so will es die Regierung – sogleich über alle Radiosender ausgestrahlt wird. Zusätzlich wird sie im gesamten Staatsgebiet auf öffentlichen Plätzen über Lautspre- cher übertragen. Eigens einberufene Festveranstal- tungen finden überall im Land statt. Anschließend Abb. 11  Kundgebung  der  Heimwehr  im  Schloss  Schön- brunn.  Im  Vordergrund  der  Heimwehrführer  Ernst  Rüdiger  von  Starhemberg,  der  von  der  Schlossterrasse  aus  eine  An- sprache  hält.  Das interessante Blatt,  18.  Mai  1933,  Titelseite.  Foto:  Ernst-Hilscher.
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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Untertitel
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Autor
Anton Holzer
Verlag
Primus Verlag
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-86312-073-3
Abmessungen
23.0 x 29.0 cm
Seiten
498
Schlagwörter
Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
Kategorie
Medien

Inhaltsverzeichnis

  1. Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
  2. Neue illustrierte Welt Einleitung 10
  3. Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
  4. Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
  5. Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
  6. Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
  7. Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
  8. Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
  9. Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
  10. Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
  11. Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
  12. Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
  13. Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
  14. Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
  15. Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
  16. Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
  17. Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
  18. Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
  19. Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
  20. Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
  21. Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
  22. Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
  23. Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
  24. Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
  25. Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
  26. Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
  27. Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
  28. Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
  29. Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
  30. Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
  31. Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
  32. Anhang
    1. Anmerkungen 446
    2. Fotografinnen und Fotografen 1890 bis 1945 Biografische Notizen 466
    3. Literatur 483
    4. Zeitungen und Zeitschriften 490
    5. Index 491
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