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150 Im Schatten der Konzerne · Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit
schriften anderer Verlage, etwa das illustrierte Wiener
Magazin, werden nun beim Vorwärts-Verlag gedruckt.
Überhaupt übernimmt nach 1933/34 der Staat eine
wichtige lenkende Rolle in der Presselandschaft. Der
verlängerte Arm der Regierung in Sachen Presse und
Propaganda heißt Österreichischer Heimatdienst, der
ab 1933 auch eine auflagenstarke illustrierte Wochen-
zeitschrift, die Österreichische Woche, herausbringt,
die zahlreichen Blättern beigelegt wird.
Eine Art ideologisches Gegenstück zum Vor-
wärts-Verlag bildet (neben dem steirischen Styria-Ver-
lag) das katholisch-konservative Verlagshaus Tyrolia
mit Hauptsitz in Innsbruck (Andreas-Hofer-Straße
4). In der Zwischenkriegszeit wächst das der katholi-
schen Kirche und den Christlichsozialen nahestehen-
de Unternehmen zu einem mächtigen Medienkonzern mit über 400 Mitarbeitern heran.21 Neben dem Verlag
gehören auch eine Druckerei und zahlreiche Buch-
handlungen zum Tyrolia-Konzern, der Zweigstellen in
München und Wien unterhält. Neben einer Reihe von
Tages- und Wochenzeitungen bringt der Tyrolia-Ver-
lag seit 1929 auch die illustrierte Wochenzeitung
Welt-Guck (Abb. 6) heraus. Sie ist um 1930 neben dem
Kuckuck die grafisch innovativste österreichische il-
lustrierte Wochenzeitung.
Der dritte parteinahe Zeitungskonzern ist in den
1920er Jahren die Berglandpresse. Das den Deutsch-
nationalen nahestehende Firmengeflecht, das aus
dem traditionsreichen Innsbrucker Universitätsver-
lag Wagner hervorgeht, besteht aus Buchhandlungen,
Druckereien und Verlagen.22 Seit 1921 sind einzelne
Teile der Firmengruppe zwar in getrenntem Besitz,
aber familiär und ökonomisch sind sie weiterhin eng
verflochten. Die Berglandpresse, die 1928 an die 650
Mitarbeiter beschäftigt, kontrolliert eine Reihe von re-
gionalen österreichischen Tages- und Wochenzeitun-
gen, die dem deutschnationalen Lager zuzurechnen
sind. Dazu gehören u. a. die Innsbrucker Nachrichten,
die Neueste Zeitung, das Salzburger Volksblatt, das
Grazer Tagblatt, die Oberösterreichische Tageszeitung
und Der freie Burgenländer. Auch eine illustrierte
Monatszeitung bringt die Berglandpresse heraus. Das
Bergland, das seit 1921 unter diesem Titel erscheint,23
verfolgt inhaltlich einen konservativen Kurs und ist
grafisch wenig innovativ. Dennoch erlangt die Zeit-
schrift eine gewisse Bedeutung. Immerhin ist sie
in den 1920er Jahren mit ihrer Auflage von 52 000
bis 55 000 Exemplaren die größte österreichische
Monatsschrift.24 Sie wird als Beilage zahlreicher Ta-
geszeitungen des Bergland-Konzerns aber auch als
eigenständige Zeitschrift vertrieben.
Rüdengasse 11 – Ein Zentrum der Bildpresse
Der Zeitungskonzern, der die beiden führenden ös-
terreichischen illustrierten Wochenzeitungen, Das in-
teressante Blatt und die Wiener Bilder, verlegt, gehört
zwar nicht zu den größten Medienunternehmen des
Landes. Im Bereich der Bildpresse aber spielt er in
der Zwischenkriegszeit eine hegemoniale Rolle. Das
interessante Blatt und die Wiener Bilder dominieren in
Abb. 6 Obwohl der sozial-
demokratische Kuckuck und
der 1929 im christlichsozialen
Innsbrucker Tyrolia-Verlag
ge-
gründete Welt-Guck ideologisch
entgegengesetzte Positionen
vertreten,
gehören beide
Zeitungen zu den grafisch
innovativsten Illustrierten der
Zwischenkriegszeit. Welt-Guck,
9.
August
1931, Titelseite.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Untertitel
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Autor
- Anton Holzer
- Verlag
- Primus Verlag
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Abmessungen
- 23.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang