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169Konservative
Wende, austrofaschistische Propaganda
Wiener Bilder nieder. Beide stehen eindeutig hinter der
Regierungspolitik der austrofaschistischen Diktatur.
Die Österreichische Woche ist zwar die bei Weitem
wichtigste, aber nicht die einzige konservative Illust-
rierte, die abseits der großen Städte gelesen wird. Am
bedeutendsten unter den regionalen Bilderzeitschrif-
ten ist die zwischen 1935 und 1937 als Beilage der
deutschnationalen Steirischen Alpenpost erscheinende
Bilder-Welt (Abb. 25). Sie wird, so wie das Mutterblatt,
im Grazer Leykam Verlag hergestellt. Als redaktionel-
ler Leiter ist Walther Urbanek genannt, der selbst als
Fotograf tätig ist. Die je acht Seiten umfassende Bil-
derzeitung, die in gutem Kupfertiefdruck produziert
wird, verfolgt eine im Großen und Ganzen unpoliti-
sche Linie. Von der Regierungspropaganda hält sie
sich eher fern. Interessant ist, dass sie aber als ein-
zige österreichische Illustrierte der Entwicklung im
nationalsozialistischen Deutschland auffallend viel
Aufmerksamkeit schenkt und immer wieder über Er-
eignisse in Deutschland berichtet. Offenbar folgt sie
in dieser Hinsicht der inhaltlichen Ausrichtung des
Mutterblattes. Auflagenmäßig steht die Bilder-Welt als
kleine Regionalillustrierte deutlich im Schatten der
Österreichischen Woche. Dennoch erreicht sie nach
anfänglichen Startschwierigkeiten ein gewisses ge-
stalterisches Niveau.98 In ihrer Umschlaggestaltung
ist sie modern, die Gestaltung des Innenteils ist
dagegen konventionell und recht statisch. Ab Mitte
1936 bringt sie auch Fotoreportagen.99 Die Bilder-Welt
ist Mitte der 1930er Jahre eine nicht unbedeutende
Plattform für Grazer Fotografen und Fotojournalisten.
Regelmäßig vertreten sind etwa Dolf Christian und
Alfred Steffen, die aktuelle Presse- und Sportbilder
liefern. Aber auch konservative und deutschnationale
Fotoamateure wie Ernst Fürböck und Maximilian Kar-
nitschnigg finden in der Bilder-Welt ein Forum für ihre
Aufnahmen. Die letzte Nummer der Zeitung erscheint
am 28. März 1937. Über die Gründe der Einstellung
ist nichts bekannt, es ist aber durchaus denkbar, dass
der Druck der Regierung, die über die ausführliche
Deutschlandberichterstattung gewiss nicht glücklich
war, zur Einstellung der Zeitung beigetragen hat.
Als im März 1938 die Nationalsozialisten an die
Macht kommen, haben sie nicht nur die Propaganda-
zeitung Österreichische Woche im Visier, sondern sie krempeln auch gleich die Redaktionen der „unabhän-
gigen“ Zeitungen Das interessante Blatt und Wiener
Bilder um. Nach der nationalsozialistischen „Gleich-
schaltung“ der österreichischen Presse kommt es zu
einer beispiellosen Welle der Repression. Zugleich
wird 1938 aber auch eine sprunghafte grafische Mo-
dernisierung der österreichischen illustrierte Presse
eingeleitet. Dieser Aspekt wird noch genauer zu un-
tersuchen sein. Abb. 25 Die Bilder-Welt ist die
illustrierte Wochenendbeilage
der Steirischen Alpenpost. Sie
erscheint zwischen 1935 und
1937 im Grazer Leykam Verlag.
Bilder-Welt,
23.
Februar 1936,
Titelseite. Foto: Wolff.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Untertitel
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Autor
- Anton Holzer
- Verlag
- Primus Verlag
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Abmessungen
- 23.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang