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184 Bilder für alle · Die Welt der Magazine und Revuen
übt, das ist bisher kaum beachtet worden, über den
Weg von Ausstellungen und Veröffentlichungen in
Zeitschriften, einen nicht zu unterschätzenden Ein-
fluss auf die österreichische Fotografie der 1930er
Jahre aus. Die antiurbane Stimmung, die regressive,
romantisierende Themenwahl, aber auch die gemä-
ßigt modernen Inszenierungen, die das Kennzeichen
der konservativen ungarischen Modernen bilden,
prägen auch die österreichische Fotokultur von den
frühen 1930er Jahren bis zum nationalsozialistischen
„Anschluss“. Ihr Gegenüber auf österreichischer Seite
sind die Wortführer in den konservativen Amateur-
vereinen, die seit Beginn der 1930er Jahre mit ihrer
Ausstellungspolitik und ihren Fachpublikationen zu-
nehmend an Boden gewinnen. Der Weg in Richtung
Heimatfotografie ist von hier aus nicht mehr weit.29 Nach 1934 wird die Grundausrichtung des Wiener
Magazins deutlich konservativer. Das hat einerseits
damit zu tun, dass sich das politische Umfeld inzwi-
schen radikal gewandelt hat und 1933/34 ein dikta-
torisches Regime an die Stelle der parlamentarischen
Demokratie getreten ist. Andererseits forciert auch
der Eigentümer der Zeitschrift eine zunehmend kon-
servative Ausrichtung. Ab Anfang der 1930er Jahre
wird das Wiener Magazin in der Innsbrucker Drucke-
rei Wagner gedruckt, die zum konservativen Berg-
land-Konzern gehört. Ab Ende 1934 wird die Zeit-
schrift wieder in Wien hergestellt, und zwar – über
Vermittlung der Regierung – ausgerechnet in der im
Jahr zuvor enteigneten Druckerei „Vorwärts“ der Wie-
ner Sozialdemokraten, in der Rechten Wienzeile 97.
Zwar vermeidet die Redaktion allzu offene Parteipo-
litik, dennoch stellt sie sich klar und deutlich hinter
die austrofaschistische Regierung. Paradigmatisch für
die neue Richtung, die das Lob der ländlich geprägten
Heimat mit einer gemäßigt modernen Inszenierung
verbindet, ist eine Aufnahme von Heinz von Perck-
hammer, die im September 1935 im Wiener Magazin
erscheint (Abb. 20). Wir sehen einen aus extremer
Untersicht aufgenommenen Grenzbalken und da-
neben das ebenfalls aus der Untersicht fotografier-
te Schild „Oesterr. Zollamt“. Die innovative formale
Inszenierung der gekippten Perspektive verbindet
sich, vermittelt über die Bildunterschrift, mit einer
patriotisch-konservativen Botschaft. „Wieder in der
Heimat“ – so heißt das Bild in der Zeitschrift.30 Im sel-
ben Heft findet sich eine – ebenfalls durch und durch
patriotische – Fotoreportage über die Eröffnung der
Großglockner Hochalpenstraße, die 1935 stattfindet.
Dort heißt es voller Naivität in larmoyantem Tonfall:
„Es ist ein kleines Land im Herzen Europas, unser
Österreich. Es hat im Laufe der Jahre viel Sorge und
Mühe und Unglück ertragen müssen, noch immer
verdecken düstere Wolken die schöne, reine Bläue
eines Lebenshimmels.“31
Von Perckhammer, geb. 1895 in Meran, der seit
den späten 1920er Jahren in der Zeitungsstadt Berlin
Karriere gemacht hat und für die großen Magazine
der Weimarer Republik und später des nationalsozia-
listischen Regimes arbeitet, fotografiert und publi-
ziert in den 1930er Jahren öfter in Österreich. Er lie-
Abb. 20 „Wieder in der Hei-
mat“. Mitte der 1930er Jahre
stellt sich das
Wiener Magazin
deutlich hinter die Politik
des
österreichischen „Ständestaa-
tes“. Wiener Magazin, Heft 9,
September 1935, S.
64. Foto:
Heinz Perckhammer.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Untertitel
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Autor
- Anton Holzer
- Verlag
- Primus Verlag
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Abmessungen
- 23.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang