Seite - 188 - in Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945

188 Bilder für alle · Die Welt der Magazine und Revuen von nobel anmutenden Fußballfans in der englischen Universitätsstadt Eton eine Obdachlosenszene am Wiener Donaukanal, fotografiert von Herbert Grün- wald, gegenüber (Abb. 24). Ebenso wie die Bühne und das Wiener Magazin räumt MOCCA ab 1934 ungarischen Fotografen, die Moderne und Piktorialimus verbinden und von denen viele ein genrehaftes Landleben präsentieren, auffal- lend viel Platz ein.43 Die kurze Phase der Öffnung ist vorbei, die Zeitschrift steuert nun einen konservati- ven, antiurbanen Kurs, der Themen wie patriotische Landschaften, Land und Leute oder Brauchtum in den Vordergrund rückt. Beispielhaft für diese Richtung sind die zahlreichen idealisierenden Landschafts- und Genrestudien der Linzer Fotoamateurin Elly Rauch. Ein heiß umkämpfter Markt: neue Radio- und Filmzeitschriften Die frivolen Revuen aus dem Rob-Verlag bilden nur einen Teil des in der Zwischenkriegszeit massiv ex- pandierenden Marktes illustrierter Magazine. Dieser fächert sich immer mehr auf. Prominente Ränge in diesem Spektrum nehmen die – durchweg kleinfor- matigen – illustrierten Radio- und Kinozeitschriften, aber auch die Sport- und die größerformatigen Mode- zeitschriften ein. All diese Magazine tragen wesent- lich zur Etablierung eines neuen visuellen Zeitalters bei, das nach und nach alle Lebensbereiche umfasst. Nicht nur über Politik und Gesellschaft wird nun vor- zugsweise in Bildern berichtet, sondern auch über Mode und Schönheit, über Freizeit und Sport, über Radio und Film, über Schule und Kindererziehung, über Kriminalfälle und Katastrophen und vieles an- dere mehr. Es ist kein Zufall, dass ein heute längst ausge- storbenes und vor dem Ersten Weltkrieg noch völlig unbekanntes Genre der visuellen Berichterstattung in den 1920er Jahren zum Marktführer unter den Wochenmagazinen aufsteigt: die illustrierte Radio- zeitschrift. Denn das Radio, das in Österreich 1924 eingeführt wird, ist weit mehr als ein neues Kommu- nikationsmedium, es verkörpert, vor allem in den ersten Jahren, ein geradezu euphorisches neues kol- lektives Lebensgefühl. Neben dem Film, der sich in Abb. 23  1928  bringt  der  Rob-Verlag  mit  der  Zeitschrift  MOCCA  eine  weitere  populäre  Revue  auf  den  Markt.  MOCCA,  Nr.  1,  Januar  1934,  Titelseite.  Foto:  Atelier  Manassé. Abb. 24  Die  Welt  der  Vorneh- men  und  der  Obdachlosen.  Eine  fotografische  Gegen- überstellung  in  der  Zeitschrift  MOCCA,  Nr.  6,  1935,  S.  12.  Foto:  Herbert  Grünwald.