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190 Bilder für alle · Die Welt der Magazine und Revuen
liers, aber auch von deutschen und amerikanischen
Filmfirmen. 1928 stellt die Zeitschrift auf Kupfer-
tiefdruck um, ab 1930 verbessert sich das Layout.
Porges, der als Journalist, Theater- und Filmkritiker,
Schriftsteller und Regisseur tätig ist, bemüht sich,
die Zeitschrift aus dem politischen Tagesgeschehen
möglichst herauszuhalten, er steuert einen liberalen
Kurs. Im Zentrum der Berichterstattung steht der
filmische Mainstream, aber Ende der 1920er Jah-
re zeigt sich die Zeitschrift auch offen gegenüber
den Neuerungen der Avantgarde.48 Während der
Zeit des Austrofaschismus (1934 – 1938) schlägt die
patriotisch-konservative Propagandamaschinerie der
Regierung gelegentlich auch auf die Seiten von Mein
Film durch. Anlässlich der internationalen Film-Fest-
wochen, die im Juni und Juli 1934 in Wien stattfin-
den, erscheint die Zeitschrift etwa mit einer rot-weiß-
roten Schleife auf dem Umschlag. Vor allem der Markt der Radiozeitschriften ist um
1930 nicht nur kommerziell, sondern auch politisch
heiß umkämpft. Denn das neue Medium bietet nicht
nur Unterhaltung, sondern kann, das stellt sich bald
heraus, auch für Informations- und Propagandazwe-
cke nutzbar gemacht werden. Die herkömmlichen Ra-
diozeitschriften, allen voran die Radio-Welt aus der
Rüdengasse 11, sind durchweg konservativ und regie-
rungsnahe. Um diesem publizistischen Übergewicht
eine Alternative entgegensetzen zu können, bringt
das sozialdemokratische Medienflaggschiff, der Vor-
wärts-Verlag, Anfang der 1930er Jahre eine linke
Radiozeitschrift auf den Markt. Sie heißt Rundfunk
und ist aus der 1932 gegründeten Wochenzeitung
Rundfunk für alle hervorgegangen.49 Herausgeber,
Eigentümer und Verleger ist die Freie Vereinigung ös-
terreichischer Radiotechniker, eine sozialdemokrati-
sche Vorfeldorganisation. Geleitet wird die Zeitschrift
von Sigmund Schwarz.50 Anfang 1933 übernimmt die
Sozialdemokratischer Verlag Ges. m. b. H. die Zeitung,
die Redaktion übersiedelt in die Rechte Wienzeile 97,
den Sitz des Vorwärts-Verlags. Hier wird künftig auch
gedruckt.
Hinter der Übernahme steht der sozialdemokra-
tische Medienstratege Julius Braunthal, der auch als
Chefredakteur des Blattes auftritt. Das Tagesgeschäft
leitet allerdings Franz Kuderna. Unter der neuen Füh-
rung wird die Zeitschrift deutlich modernisiert. Das
Format wird etwas vergrößert, die Gestaltung verbes-
sert, auf dem Umschlag findet nun ein seitenfüllendes
Foto Platz. Der Mantelteil wird im Kupfertiefdruck
hergestellt. Als die erste Nummer des Rundfunk am
19. Februar 1933 erscheint, ist aus der trockenen Ver-
einszeitung mit technischen Einschlag eine moderne
Wochenillustrierte für die breite Bevölkerung gewor-
den. Die kämpferische Ausrichtung kommt nach der
Neugestaltung deutlicher zum Ausdruck als zuvor.
Im März 1933 widmet sie dem 50. Todestag von Karl
Marx eine Titelseite (Abb. 27).51 Im Vordergrund ist
dessen Kopf zu sehen. Die überdimensional erschei-
nende Büste scheint im Hof der 1930 fertiggestell-
ten Wohnhausanlage Karl-Marx-Hof zu stehen. Tat-
sächlich handelt es sich um eine Montage. Darunter
prangt in weißen Lettern auf schwarzem Grund: „Karl
Marx. 50 Jahre tot. Heute lebendiger denn je!“
Abb. 27 Die Zeitschrift Rund-
funk erscheint
seit Februar
1933 im
sozialdemokratischen
Vorwärts-Verlag. Sie
will der
konservativen Übermacht
der bürgerlichen Radiozeit-
schriften trotzen. Rundfunk,
12.–18.
März, Titelseite.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Untertitel
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Autor
- Anton Holzer
- Verlag
- Primus Verlag
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Abmessungen
- 23.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang