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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
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199Kontinuitäten und Brüche: Die Bunte Woche dennoch: Ganz verzichtet er auf sein Montagehand- werk nicht. Gelegentlich zeigt er im Innenteil noch, was er kann. Mitte Mai findet sich auf der hinteren Umschlagseite eine raffiniert gebaute Fotomontage, die wohl von Weyr stammt (Abb.  7). Sie hat den ame- rikanischen Kriminalfall „Dillinger“ zum Thema, der 1934 nicht nur die Bevölkerung in den USA in Atem hält, sondern über den weltweit berichtet wird. John Herbert Dillinger ist der Kopf einer brutalen Bande, die durch eine Reihe spektakulärer Banküber- fälle und Gefängnisausbrüche bekannt wird. 1933/34 treibt der Gangster ein monatelanges Katz- und Mausspiel mit der Polizei und wird als Staatsfeind Nr. 1 gesucht. Auf seine Ergreifung ist ein Kopfgeld von 25 000 Dollar ausgesetzt. Der Fall wird zum Me- diengroßereignis. Über Dillingers Flucht wird in allen Zeitungen ausführlich und sensationslüstern berich- tet. Weyr weiß natürlich, dass der Fall Dillinger auch in Österreich bekannt ist. Im Bildtext werden die wichtigsten Facetten des Kriminalfalls noch einmal zusammengefasst: „Seit Wochen hält der 1. Volksfeind Nordamerika in Atem. Umgeben von einem Harem hübscher Frauen, zieht er mordend und plündernd durch das Land. Das Hand-Maschinengewehr, wie Sie es oben rechts sehen, ist seine Waffe. Wegen 18 Mor- den ist bereits Anklage gegen ihn erhoben.“18 In der Fotomontage selbst spielt Weyr mit den Versatzstücken dieses Kriminaldramas und baut daraus eine suggestive Bildgeschichte. Der Name „Dillinger“, der 1934 in aller Munde ist, ist mitten ins Bild gesetzt. Darunter, in der Bildmitte, ist der Protagonist zu sehen. Die Aufnahme, die auch auf den Fahndungsplakaten verwendet wird, hat sich über die illustrierte Presse millionenfach verbreitet. Den Hintergrund nimmt eine stilisierte amerikani- sche Hochhaus-Skyline ein. Neben Dillinger sind zwei junge, attraktive Frauen zu sehen, ein Hinweis auf die weiblichen Begleiterinnen, mit denen sich der Ge- suchte umgibt. Im Vordergrund ist ein blutiger Tatort zu besichtigen, mit allem, was dazugehört: durch- löcherte Autoheckscheibe, ein Toter, Polizisten. Weyr hat, das lässt sich am Beispiel dieser letzteren Sze- ne eindeutig nachweisen, die Bildvorlagen aus dem Kuckuck-Archiv genommen. Das Foto des Mordes auf offener Straße hat er bereits 1931 im Kuckuck veröf- fentlicht, in einem Bildbericht zum Thema „Straßen- leben in Neuyork“.19 Das dramatische Finale des Falles sollte wenige Wochen nach dieser Darstellung stattfinden. Am 22. Juli 1934 verlässt Dillinger zusammen mit zwei Frauen eine Kinovorstellung in Chicago und wird von drei Kugeln der Polizei tödlich getroffen. Eine der bei- den Frauen hat ihn verraten. Wenige Monate nach der politischen „Neugrün- dung“ im Frühjahr 1934 wird die Bunte Woche ein weiteres Mal umgestaltet. Am 22. Juli 1934 wendet sich die Redaktion an die Leser und kündigt die an- Abb.  7  „Dillinger“.  Foto- montage  Siegfried  Weyrs  zu  einem  bekannten  Kriminalfall  der  1930er  Jahre  in  den  USA.  Der  Bankräuber  John  Dillinger  wird  durch  spektakuläre  Gefängnisausbrüche  und  sein  Katz-und-Maus-Spiel  mit  der  Polizei  bekannt.  Bunte Woche,  13.  Mai  1934,  S.  16.
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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Untertitel
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Autor
Anton Holzer
Verlag
Primus Verlag
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-86312-073-3
Abmessungen
23.0 x 29.0 cm
Seiten
498
Schlagwörter
Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
Kategorie
Medien

Inhaltsverzeichnis

  1. Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
  2. Neue illustrierte Welt Einleitung 10
  3. Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
  4. Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
  5. Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
  6. Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
  7. Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
  8. Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
  9. Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
  10. Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
  11. Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
  12. Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
  13. Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
  14. Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
  15. Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
  16. Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
  17. Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
  18. Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
  19. Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
  20. Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
  21. Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
  22. Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
  23. Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
  24. Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
  25. Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
  26. Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
  27. Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
  28. Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
  29. Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
  30. Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
  31. Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
  32. Anhang
    1. Anmerkungen 446
    2. Fotografinnen und Fotografen 1890 bis 1945 Biografische Notizen 466
    3. Literatur 483
    4. Zeitungen und Zeitschriften 490
    5. Index 491
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