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201Propagandaillustrierte
für das Regime
der Kontinuität zu wahren. Eine ganze Reihe von
Zeitungen und Zeitschriften werden inhaltlich neu
positioniert und weitergeführt. Aber es gibt auch
Neugründungen, die massiv in den bestehenden
publizistischen Markt der illustrierten Presse ein-
greifen. Das auflagenmäßig bei weiten erfolgreichste
illustrierte Zeitungsprojekt des Austrofaschismus
ist die Österreichische Woche, die ab September 1933
erscheint (Abb.
9). In ihr erwächst den marktbe-
herrschenden bürgerlichen Wochenillustrierten ein
machtvoller Konkurrent. Ihre enorme Auflage – sie
liegt zwischen 500 000 und 700 000 Exemplaren24
und übersteigt die Verbreitung anderer Illustrier-
ter um ein Vielfaches – verdankt die Österreichische
Woche der Tatsache, dass sie unter der Regie der Re-
gierung zahlreichen regionalen katholisch-konser-
vativen Zeitungen als Wochenillustrierte beigelegt
wird.25 Mit Ausnahme der christlichsozialen Reichs-
post und des Neuigkeits-Welt-Blatts erscheinen all die-
se Blätter nicht in Wien, sondern in der Provinz.
Eigentümer und Verleger ist der Österreichische
Heimatdienst, eine Propagandaeinrichtung im Vor-
feld der austrofaschistischen Regierung, die ab 1934
ein dichtes Netz von Beeinflussungsinstrumenten
aufbaut. Das Medienimperium des Heimatdienstes
betreibt – neben der Herausgabe der Wochenillust-
rierten Österreichische Woche – auch Rundfunk- und
Filmpropaganda (etwa über die Wochenschau „Öster-
reich in Bild und Ton“) und gibt eine „Vaterländi-
sche Wandzeitung“ sowie diverse Mitteilungsblätter
heraus. Herausgeber der Österreichischen Woche ist
Edmund Weber, als verantwortlicher Redakteur tritt
Ernst Wenger auf.
Inhaltlich ist die Zeitung ganz auf Regierungskurs,
mit ihren propagandistischen Bildserien verleiht sie
der katholisch-konservativen, reaktionären Politik
des „Ständestaates“ ein machtvolles mediales Echo.
Ganz gezielt schürt die Österreichische Woche antiso-
zialistische, antiurbane Stimmungen und verbreitet
ein geschöntes, heimattümelndes Österreichbild.
Eine feste Rubrik heißt denn auch „Das schöne Öster-
reich“. Deutlicher noch als die bürgerlichen Illustrier-
ten wie Das interessante Blatt oder die Wiener Bilder
ist die Österreichische Woche eine reine Bilderzeitung.
Der Textumfang ist reduziert, die Bilder überwiegen. Der Umschlag ist ein Verschnitt aus modernen und
traditionellen grafischen Elementen. Beispielsweise
setzt die Zeitung, ganz im Sinne einer modernen Il-
lustrierten, auf ein großes, nahezu seitenfüllendes
Titelfoto und verzichtet auf die Titelvignetten. Dafür
aber prangt über dem Bild der Titel in der konserva-
tiven Frakturschrift. Im Innenteil ist das Blatt ohne
größere grafische Ansprüche gestaltet. Zwar finden
sich immer wieder Bildgeschichten und Ansätze Abb.
9 Die katholisch-kon-
servative Propagandaillustrierte
Österreichische Woche
erscheint
seit September 1933. Sie ist
auflagenmäßig
das
erfolgreichs-
te illustrierte Zeitungsprojekt
des Austrofaschismus. Öster-
reichische Woche, 2.
Februar
1934.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Untertitel
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Autor
- Anton Holzer
- Verlag
- Primus Verlag
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Abmessungen
- 23.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang