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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
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204 Erzählende Bilder · Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit senden Reporter, er spitzt die Dramaturgie der Er- eignisse deutlich zu und nimmt es mit der Wahrheit nicht so genau. Ganz so rasch folgen die Ereignisse in der Wirklichkeit nicht aufeinander. Eine Stunde nach der Entwicklung der Bilder sind die gedruckten Fotos keineswegs schon in der Öffentlichkeit. Aber in einer Hinsicht trifft Rübelt sehr wohl die Realität: Der durchschnittliche Pressefotograf ist im Grunde ein Tagelöhner, der für sein Geld hart arbeiten muss und dessen soziales Image nicht besonders hoch ist. Er ist ein – oft anonymer – Zuarbeiter der Zeitungen und Zeitschriften und meist weit davon entfernt, ein Held zu sein, der im Licht der Öffentlichkeit steht. „Die Arbeit des Bildberichterstatters“, so Rübelt weiter, „ist hart und mühselig, ja oft gefährlich und erfordert einen ganzen Mann, der sich auf seine Ner- ven und seinen Körper wie auf seine Kamera verlas- sen kann. Jagende Hast ist sein Lebenselement, stets muß er startbereit sein – wenige sind diesen Anforde- rungen gewachsen. Und doch ist die Aufgabe lockend, reizvoll und schön. Mit seinen Augen sehen Tausende die Ereignisse dieser Welt!“2 Vom  Einzelbild  zur  Serie Ende der 1920er Jahre, als dieser Beitrag er- scheint, beginnt sich die Rolle des Pressefotografen zu verändern. Es gibt zwar weiterhin zahllose foto- grafische „Taglöhner“, die das Gros der Zeitungsfoto- grafien liefern. Aber nun steigen die Anforderungen an die Fotografen, das Geschäft beschleunigt sich, die Konkurrenz ist groß. Einige Tageszeitungen be- ginnen regelmäßig Fotografien zu drucken. Das Feld der Pressefotografen differenziert sich aus. „Viele“, so Rübelt, „kommen über das gestürzte Pferd und den Straßenbahnzusammenstoß nicht hinaus und bleiben Handwerker, manche kommen weiter, bleiben aber, ein Fluch der Routine, in der Schablone stecken, aber einigen wenigen ist es vergönnt, als wahre Pioniere, als frei schaffende Künstler, der Menschheit Dinge zu vermitteln, die nur Auserwählte in seltenen Mo- menten erblicken können. Sie alle aber gehören zur großen Armee, die in unbestechlichen Lettern die Chronik dieser Erde schreibt.“3 Es ist nicht verwun- derlich, dass Rübelt sich selbst den letztgenannten Pionieren zurechnet. Selbstbewusst und nicht ohne Pathos stellt er sich an den Beginn eines neuen foto- grafischen Zeitalters, das der „frei schaffende Künst- ler“ mit der Kamera grundlegend mitbestimmt. Lothar Rübelt ist einer der ganz wenigen öster- reichischen Pressefotografen, die bereits in den 1920er Jahren im Licht der Öffentlichkeit stehen. Er versteht es schon in jungen Jahren (1929 ist er 27 Jahre alt) erfolgreiches Marketing in eigener Sache zu betreiben. Als das Wiener Magazin 1932 seine wichtigsten Mitarbeiter in Bildern und kurzen Texten vorstellt, bekommt auch Rübelt einen Eintrag. Neben einem kreisrunden Brustbild (Abb.    2) heißt es: „Lo- thar Rübelt, einer der Nettesten. Man ruft ihn an, er ist da. Man braucht etwas Ausgefallenes, er bringt es. Er ist höflich und heiter, ein ausgesprochen smarter Mensch. Leider etwas geldgierig.“4 „Das Jahr 1929 war in verschiedener Hinsicht ein Markstein in meiner Laufbahn“, erinnert sich Rübelt Jahrzehnte später. Selbstbewusst reklamiert er auch im Rückblick für sich, der Pionier der österreichi- schen Reportagefotografie gewesen zu sein. „Im An- fang war die Begegnung mit der Leica (Kleinbildka- mera), die entscheidend war für die Freizügigkeit der Bildberichterstattung, die sich vom Einzelbild zur ‚Se- rie‘ entwickelt hatte. Im Dezember kam dann der ers- te ‚Auftrag‘ einer Illustrierten, noch dazu im Ausland: der Giftmordprozeß in Szolnok für das ‚Interessante Blatt‘ in Wien durch Chefredakteur Papanek. Auf meinem Spezialgebiet, der Sportphotographie hatte ich mir längst einen Namen gemacht, aber nun galt es, den Stil und die Technik in die Zeitgeschichte Abb.  2  „Ein  ausgesprochen  smarter  Mensch.  Leider  etwas  geldgierig.“  Der  österreichische  Pressefotograf  Lothar  Rübelt  wird  im  Wiener Magazin  als  Mitarbeiter  vorgestellt.  Wiener Magazin,  Heft  10,  Oktober  1932,  S.  47.
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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Untertitel
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Autor
Anton Holzer
Verlag
Primus Verlag
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-86312-073-3
Abmessungen
23.0 x 29.0 cm
Seiten
498
Schlagwörter
Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
Kategorie
Medien

Inhaltsverzeichnis

  1. Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
  2. Neue illustrierte Welt Einleitung 10
  3. Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
  4. Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
  5. Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
  6. Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
  7. Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
  8. Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
  9. Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
  10. Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
  11. Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
  12. Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
  13. Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
  14. Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
  15. Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
  16. Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
  17. Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
  18. Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
  19. Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
  20. Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
  21. Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
  22. Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
  23. Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
  24. Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
  25. Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
  26. Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
  27. Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
  28. Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
  29. Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
  30. Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
  31. Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
  32. Anhang
    1. Anmerkungen 446
    2. Fotografinnen und Fotografen 1890 bis 1945 Biografische Notizen 466
    3. Literatur 483
    4. Zeitungen und Zeitschriften 490
    5. Index 491
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