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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
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205Vom Einzelbild zur Serie Dingen, die Leser und Fotografen Tag für Tag umge- ben. Nun werden Geschichten in Fotografien erzählt, die bis vor Kurzem noch nicht als bildwürdig galten: ein Schultag etwa, ein Besuch im Krankenhaus, das Leben und Arbeiten eines Hausmeisters, die Arbeit im Büro, Vergnügungen im Park, seltsame Sammel- leidenschaften mancher Menschen oder ein Tag auf dem Flohmarkt. Der sachliche, der Wirklichkeit zuge- wandte Blick verbindet sich oft mit einer poetischen Sicht auf die Dinge. Auf diese Weise rückt die neue Form der Reportage, die sich gelegentlich durch ihre subjektive, flanierende Bildsprache auszeichnet, oft in die Nähe des Feuilletons. Der fulminante Aufstieg der modernen Fotoreportage um 1930 hat aber auch, so argumentiert Ulrich Keller, mit der erfolgreichen Fusion bisher getrennter Bilddiskurse zu tun.7 In gut gemachten Reportagen verschwimmen Nachricht, Un- terhaltung, spannende Erzählung, oft auch Werbung und Propaganda zu einer neuen Bildgattung. Aus der Sicht des Fotografen Rübelt spielt bei der Neukonzeption der Reportage die Technik eine wich- tige Rolle. Er erwähnt die kleinformatige Leica, mit der er seit 1929 arbeitet. Tatsächlich kommt in den 1920er Jahren eine ganze Reihe von neuen Kame- ras auf den Markt, die einen Einfluss auf die Form der Bildberichterstattung haben. Zwar fotografieren immer noch viele Pressefotografen mit den bisher verwendeten großformatigen (13 × 18 cm) Plattenka- meras, etwa der ICA-Record oder der Deckrullo-Net- tel, aber nach und nach greifen sie auch zu klein- formatigen, lichtstarken Kameras, die sie oft parallel zu ihren herkömmlichen großformatigen Apparaten einsetzen. 1924 kommt etwa die Ermanox der Firma Ernemann mit einem Plattenformat von 4,5 × 6 cm auf den Markt, ein Jahr später, 1925, die Leica, die einen beidseitig perforierten 35-mm-Kinofilm als Aufnah- mematerial verwendet (mit einer Negativgröße von 24 × 36 mm). Seit 1929 wird die Mittelformatkamera Rolleiflex angeboten, die ebenfalls mit Rollfilm aus- gestattet ist und die in den 1930er Jahren für viele Lichtbildner zur beliebten, weil bedienungsfreund- lichen Reportagekamera wird. Ab 1932 schließlich bringt das Dresdner Unternehmen Zeiss die Kleinbild- kamera Contax auf den Markt, die in den 1930er Jah- ren als Konkurrenzprodukt zur Leica gedacht war. 8 zu verpflanzen.“5 Tatsächlich hat Lothar Rübelt der erzählenden Bildgeschichte in der österreichischen illustrierten Presse wichtige Impulse gegeben. Aber er ist nur einer von mehreren Fotoreportern, die um 1930 beginnen, Fotoserien für geschlossene Reporta- gen zu liefern, die nun als Fotoreportagen bezeichnet werden. All diese Fotografen beginnen keineswegs bei null, sondern nehmen die Erfahrungen ihrer Vor- gänger auf. Die Form der Bildgeschichte ist nämlich keine Erfindung der Zwischenkriegszeit, sondern, wie wir gesehen haben, schon seit Längerem erprobt. Bereits seit der Jahrhundertwende werden Bildrepor- tagen in den Illustrierten veröffentlicht.6 Dennoch: Ende der 1920er Jahre gibt es einen kla- ren Einschnitt in der Geschichte und Verwendungs- weise der Fotoreportage. Mehrere Umstände ändern sich: Zunächst ist es die Rolle und Position des Fo- tografen. Dieser wird nun, unterstützt meist durch den Text, zum – oft auch bewusst subjektiv vorge- henden – Augenzeugen, der ein Ereignis nicht nur in Einzelaufnahmen dokumentiert, sondern aus seinem Blickwinkel in einer Bilderserie schildert. Er streift nun immer öfter die Anonymität des bloßen Bildzulie- ferers ab und tritt auf der Zeitungsseite selbstbewusst auf. Sein Name wird immer öfter deutlich sichtbar genannt. Stammten in den bisherigen Reportagen die Bilder meist aus unterschiedlichen Quellen (mehre- re Fotografen, Fotoagenturen), so liefert der Fotograf nun häufig die gesamte Bildgeschichte. Er ist nicht nur der Augenzeuge, sondern in gewisser Weise auch der Erzähler der Geschichte, der in seinen Bildern einen Überblick bietet, Details auswählt und Zusam- menhänge herstellt. Auch die Bildgeschichte selbst verändert sich nun. An die Stelle von Themenseiten, die mit einfachen Bildtableaus arbeiten, treten ab Ende der 1920er Jahre allmählich komplexer gebaute, in sich abge- schlossene, sich gelegentlich über mehrere Seiten erstreckende Bildberichte, die meist einem kurzen Handlungsstrang folgen. In den Fotoreportagen werden auch neue Themen erschlossen. Die Bildge- schichten wenden sich nun nicht nur herausragen- den politischen und gesellschaftlichen Ereignissen zu, den Sensationen der Woche also, sondern auch den Facetten des Alltags, den Orten, Menschen und
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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Untertitel
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Autor
Anton Holzer
Verlag
Primus Verlag
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-86312-073-3
Abmessungen
23.0 x 29.0 cm
Seiten
498
Schlagwörter
Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
Kategorie
Medien

Inhaltsverzeichnis

  1. Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
  2. Neue illustrierte Welt Einleitung 10
  3. Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
  4. Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
  5. Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
  6. Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
  7. Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
  8. Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
  9. Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
  10. Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
  11. Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
  12. Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
  13. Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
  14. Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
  15. Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
  16. Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
  17. Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
  18. Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
  19. Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
  20. Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
  21. Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
  22. Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
  23. Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
  24. Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
  25. Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
  26. Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
  27. Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
  28. Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
  29. Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
  30. Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
  31. Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
  32. Anhang
    1. Anmerkungen 446
    2. Fotografinnen und Fotografen 1890 bis 1945 Biografische Notizen 466
    3. Literatur 483
    4. Zeitungen und Zeitschriften 490
    5. Index 491
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