Seite - 215 - in Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945

215Die Fotoreportage setzt sich durch wie sie vor dem Ersten Weltkrieg und bis in die 1920er Jahre gebräuchlich waren. Von der professionellen grafischen und erzählerischen Verflechtung zwischen Bild und Text, wie sie im Welt-Guck praktiziert wird, ist diese Doppelseite noch recht weit entfernt. Welche Entwicklung die Fotoreportage in einigen wenigen Jahren – von Ende der 1920er bis Anfang der 1930er Jahre – genommen hat, zeigt sich an einem großen, mehrseitigen Bildbericht, der im September 1932 im Wiener Magazin erscheint (Abb.  14). Es han- delt sich um eine der besten österreichischen Repor- tagen der Zwischenkriegszeit. Bilder und Text sind grafisch geschickt miteinander verschränkt und erge- ben so eine spannend erzählte Geschichte. Es ist wohl kein Zufall, dass dieser Bildbericht nicht in einer der großen, eher schwerfälligen Wochenillustrierten, son- dern in einer sehr viel kleineren, aber gestalterisch wesentlich wendigeren Monatszeitschrift erscheint. Thema ist ein im Juli 1932 in Wien stattfindender aufsehenerregender Prozess gegen den „Eisenbahn- attentäter“ Sylvester Matuska. Dieser hatte 1930/31 in Österreich, Deutschland und Ungarn mehrere Ei- senbahnanschläge verübt. Am 7. Oktober 1931 wird der Mann verhaftet, am 17. Juli 1932 in einem ersten Teilprozess von einem Wiener Schöffensenat zu sechs Jahren Haft verurteilt.32 Die Fotos stammen von Lothar Rübelt, der da- mit – nach dem ungarischen Giftmordverfahren Abb.  14  „Der  Mensch  Matus- ka“.  Fotoreportage  von  Ernst  Mannheim  (Text)  und  Lothar  Rübelt  (Fotos),  Teil  1.  Wiener Magazin,  Heft  9,  September  1932,  S.  6/7.