Seite - 217 - in Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945

217Die Fotoreportage setzt sich durch Auf der zweiten Doppelseite (Abb.  15) werden die Protagonisten des Verfahrens vorgestellt, u. a. der Ge- richtsvorsitzende, der Verteidiger und der Staatsan- walt. Ein großes querformatiges Bild zeigt die Mitglie- der des Gerichts während der Urteilsverkündung. Hier könnte die Reportage zu Ende sein. Doch nun wendet sich die Erzählung von der Schilderung konkreter Fakten ab und beginnt die Protagonisten der drama- tischen Ereignisse vor Gericht auf ihre Gesten, Hal- tungen und Physiognomien hin zu befragen (Abb.  16). Der Angeklagte, der bisher einer von vielen Darstel- lern im „Gerichtstheater“ war, rückt nun allmählich ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Er ist es, auf den sich jetzt alle Blicke richten. Auf der letzten Doppel- seite ist ausschließlich Matuska zu sehen (Abb.  17). In einer filmartig inszenierten, knapp kommentier- ten Bildserie werden seine emotionalen Ausbrüche und Verwandlungen auf der Anklagebank gerade- zu zeitlupenartig festgehalten. In diesem bildlichen Nacheinander erscheint der Angeklagte als psycho- logischer „Fall“. Dennoch: Das Urteil der Sachverstän- digen erklärt den Mann „für geistig gesund und für seine Verbrechen verantwortlich“.34 Die Verhandlung ergab, so Mannheim, „vielleicht erst ganz zum Schluß die Gewißheit, daß Matuska, der ganz wie es die Si- tuation erforderte, einmal in ungehemmten Redfluß schrie, dann wieder flüsterte, widersprach und weinte, ein Simulant und kein Narr sei.“35 Abb.  16  „Der  Mensch  Matuska“,  Teil  3.  Wiener Magazin,  Heft  9,  September  1932,  S.  10/11.