Seite - 218 - in Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945

218 Erzählende Bilder · Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit Gallspach,  Mekka  der  Kranken Ende Februar 1930, wenige Monate nach der ers- ten großen Reportage Lothar Rübelts über der Gift- mordprozess in Ungarn, bringt Das interessante Blatt eine weitere mehrseitige Reportage, diesmal über einen Wunderheiler im oberösterreichischen Ort Gallspach. Interessant ist diese Bildgeschichte auch deshalb, weil ihr Thema fast zeitgleich in mehreren illustrierten Zeitungen36 aufgegriffen wird – unter anderem in der angesehenen Münchner Illustrierten Presse, die in diesen Jahren unter der Leitung von Stefan Lorant eine führende Rolle in der Weiterent- wicklung der modernen Fotoreportage spielt.37 Ein Vergleich der Gestaltung und Erzählstrategie macht deutlich, wie groß die Unterschiede der bildlichen Er- zählweisen in beiden Zeitungen sind. In den 1920er Jahren lässt sich ein selbst ernann- ter Wunderheiler namens Valentin Zeileis im ober- österreichischen Gallspach nieder. Er verwandelt den verschlafenen Ort innerhalb kürzester Zeit in ein Mekka der Kranken. Mit einem selbst gebauten elek- tromagnetischen Apparat kuriert er zuerst Hunderte, bald Tausende, schließlich Zehntausende. 1929 ent- steht ein gewaltiger Neubau, nun kann er bis zu 1500 Personen pro Tag abfertigen. Immer mehr Leidende pilgern nach Gallspach. Der „Doktor“ wird zum Milli- onär, im Ort bricht Goldgräberstimmung aus. Anfang Abb.  17  „Der  Mensch  Matuska“,  Teil  4.  Wiener Magazin,  Heft  9,  September  1932,  S.  12/13.