Seite - 222 - in Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945

222 Erzählende Bilder · Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit Schriftgrad) als Bildlieferanten genannt. Der Autor des Textes verbirgt sich sogar hinter einem Kürzel („–d –r.“), er wird erst am Ende des Beitrags am unte- ren Bildrand genannt. Steyr,  die  sterbende  Stadt „Geographisch mag also Gallspach ein kleines Dorf in Oberösterreich sein, mental ist Gallspach ein Punkt, aus dem ein ganzes Staatswesen wenn nicht zu kurieren, so doch zu sanieren wäre.“48 Soma Morgenstern schreibt diese Zeilen Ende 1930 in der Frankfurter Zeitung. Er weist, durchaus mit sarkasti- schem Unterton, darauf hin, dass der Massenandrang und der mediale Wirbelsturm, die den kleinen Ort erfasst haben, Ausdruck einer gesamtgesellschaftli- chen Krisenstimmung sind. Österreich steuert An- fang der 1930er Jahre auf die schwerste Wirtschafts- krise seiner Geschichte zu. 1933 ist ein Viertel der Bevölkerung arbeitslos. Morgenstern registriert sehr aufmerksam, dass die kollektiven Heilswünsche, die das Land angesichts der katastrophalen wirtschaft- lichen Lage erfassen, nicht selten irrationale Züge annehmen. Es ist gewiss kein Zufall, dass die verun- sicherten Massen in diesen Jahren Gesundung und Heilung nicht in der Stadt, sondern lieber in entrück- Abb.  21  Fortsetzung  der  Foto- reportage  über  Gallspach.  Das interessante Blatt,  27.  Februar  1930,  S.  2/3.  Fotos:  Leo  Ernst  und  Fred  Cesˇanek.