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235Weichenstellung
in Richtung Fotoagentur
te Willinger & Schnapper“, danach unter dem Namen
„Willinger“.
Anfang der 1920er Jahre bildet der Handel mit Bil-
dern noch nicht die zentrale Einnahmequelle des Un-
ternehmens. Das Ateliergeschäft steht noch im Vor-
dergrund. Ab Mitte 1920 erweitert Willinger jedoch
seinen Wiener Betrieb Schritt für Schritt in Richtung
Fotoagentur. Die Bilder, die nun in der Presse erschei-
nen, entfernen sich mehr und mehr vom Repertoire
der klassischen Atelierfotografie. Es sind – neben den
Theateraufnahmen, die er weiterhin im Programm
hat – Alltagsbilder, Genreaufnahmen und v. a. Bilder
aktueller Ereignisse (Abb.
1). Damit reagiert der Un-
ternehmer auf die in diesen Jahren stark ansteigende
Nachfrage nach Agenturbildern.
Um 1930 geht Willinger eine Reihe von kommerzi-
ellen Kooperationen ein, die dazu dienen, die Expan-
sion in Richtung Fotoagentur voranzutreiben. Anfang
1929 gründet er zusammen mit den beiden Pressefo-
tografen Leo Ernst und Fred Cesˇanek, die ihre Bilder
seit Mitte 1928 unter dem Namen „Ernst & Cesˇanek“
vermarkten, eine Vertriebsgemeinschaft unter dem
Agenturnamen „Austrophot – Willinger, Ernst & Cesˇa-
nek“. Auf diese Weise sichert sich Willinger aktuelle
Nachrichtenbilder, die die beiden Fotografen liefern.
Umgekehrt profitieren diese vom guten Vertriebsnetz
Willingers. Die Zusammenarbeit währt aber nur kurz.
nicht nur im Bereich der Atelier- und Theaterfotogra-
fie tätig ist, sondern auch im Metier der herkömmli-
chen Pressefotografie. Bereits vor dem Ersten Welt-
krieg strebt Willinger also eine Erweiterung seines
bisherigen Geschäftsfeldes an. Er stellt die Weichen
für den Handel mit Bildern und er bewegt sich in
Richtung einer Fotoagentur.
Der Erste Weltkrieg und die Einberufung zum Mili-
tär durchkreuzen jedoch vorerst den Plan, das Unter-
nehmen zur Fotoagentur zu erweitern. Erst in Wien
kann Willinger sein Berliner Vorhaben umsetzen. Es
ist bezeichnend, dass sein geschäftliches Engagement
in Wien nicht mit der Ateliergründung, sondern be-
reits Monate zuvor mit dem Verkauf von Bildern an
die illustrierte Presse beginnt. Die ersten Fotos von
Willinger in der österreichischen Presse erscheinen
im Dezember 1918, wenige Wochen nach Kriegsende,
in der neu gegründeten Monatszeitschrift Moderne
Welt.5 Es sind, auch das ist bemerkenswert, keine
klassischen Atelierporträts, sondern Modeaufnah-
men. Kurz darauf, im Frühjahr 1919, liefert er dem
Interessanten Blatt, der führenden Wiener Wochenil-
lustrierten, erste Szenenaufnahmen von Theater- und
Opernaufführungen. Später, ab Herbst 1919, werden
auch in dieser Zeitung Modeaufnahmen von Willinger
gedruckt. Bis 1921 erscheinen die Fotos unter dem
Namen „Willinger & Schnapper“ bzw. „Phot. Werkstät- Abb.
1 Streik der Wiener
Zeitungssetzer 1933. Aus
Protest gegen
die Verhängung
der Vorzensur
gegen sozial-
demokratische Blätter treten
die Setzer in den Ausstand.
Es erscheinen nur
vereinzelt
Zeitungsausgaben und Mittei-
lungsblätter. Das interessante
Blatt, 30.
März 1933, S.
5. Foto:
Agentur Willinger.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Untertitel
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Autor
- Anton Holzer
- Verlag
- Primus Verlag
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Abmessungen
- 23.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang