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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
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236 Handel mit Bildern · Die Rolle der Fotoagenturen Redaktionen zufriedenzustellen. Die Fotografen, die Willinger unter Vertrag hat, treten zudem nicht un- ter eigenem Namen auf. Sie sind lediglich anonyme Zulieferer für ein großes Medienhaus. Obwohl er in der Vermarktung von Bildern beson- ders erfolgreich ist, ist Willinger kein Vorreiter im ös- terreichischen Agenturgeschäft. Schon lange vor ihm haben andere Fotografen mit dem Fotohandel begon- nen. Das zeigt sich allein daran, dass jene Fotoagen- tur, die Willinger 1930 übernimmt, die Firma R. Lechner (Wilh. Müller), gut zwei Jahrzehnte älter ist als sein eigenes Agenturgeschäft. Sie wurde bereits vor der Jahrhundertwende gegründet.11 Um und nach 1900 spezialisieren sich, wie wir gesehen haben, wei- tere Fotografen auf die Belieferung der Presse, etwa Heydenhaus & Robert (um 1900), Sieger-Sobotka (ab 1904), Carl Seebald mit seiner Illustrations-Zentrale (ab 1908), Josef Perscheids Welt-Preß-Photo (ab 1912) und Kilophot (ab 1912). Auch deutsche Fotoagentu- ren sind nach der Jahrhundertwende in Wien präsent, etwa Zander & Labisch (ab 1900) und die Berliner Illustrations-Gesellschaft (ab 1906). Letztere verfügt mit Heinrich Sanden sogar über einen Mitarbeiter in Wien. Er beliefert die Berliner Agentur von 1908 bis 1913 mit aktuellen Pressebildern. Während des Ersten Weltkriegs spezialisieren sich einige Agenturen auf die Kriegsfotografie.12 Auf diese Weise gelingt es ihnen, ihre Geschäftstätigkeit deut- lich auszudehnen. Möglich ist diese Expansion u. a. dank der Mitarbeit von Frauen im Agenturbetrieb, die die Männer, die an die Front gegangen sind, erset- zen.13 Die vor und während des Ersten Weltkriegs füh- renden österreichischen Fotoagenturen, insbesondere Welt-Preß-Photo, Kilophot und die Illustrations-Zen- trale, können ihre dominante Stellung in der Zwi- schenkriegszeit allerdings nicht aufrechterhalten.14 Das Unternehmen Willinger ist zwar ein beson- ders anschauliches Beispielfür die tief greifenden und folgenreichen Veränderungen in der Bildpresse in den ersten Jahrzehnten nach der Jahrhundertwende. Aber seine Geschichte ist keineswegs typisch für die geschäftliche Entwicklung der zahlreichen anderen Fotoagenturen, die in der Zwischenkriegszeit gegrün- det werden. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg sind die Fotoagenturen in der Regel Klein- und Kleinstbetrie- Bereits 1931 gehen die beiden Pressefotografen wie- der ihre eigenen Wege.6 1930 gelingt Willinger ein größerer kommerzieller Coup: Er übernimmt die seit der Jahrhundertwende führende österreichische Fo- toagentur R. Lechner (Wilh. Müller). Im Oktober 1930 tauchen erstmals Bilder in den Zeitungen auf, die mit „Oe. P. B. Willinger-Lechner“ gekennzeichnet sind. Das Kürzel steht für „Österreichischer Presse Bilddienst Willinger & Lechner“.7 Mit einem Schlag ist Willinger nun die mit Abstand größte Fotoagentur des Landes, eine Stellung, die das Unternehmen bis Ende der 1930er Jahre behaupten kann.8 Ebenfalls Anfang der 1930er Jahre beginnt Willinger eine Zusammenarbeit mit der international operierenden Agentur Key- stone. Das Wiener Unternehmen liefert an die in Lon- don, Paris und Berlin ansässige Fotoagentur aktuelle Nachrichtenbilder aus Österreich.9 Um 1930 deckt Willinger bereits das gesamte thematische Spektrum der Pressefotografie ab. Er liefert aktuelle Nachrich- tenbilder ebenso wie Sport-, Mode- und Theaterauf- nahmen, außerdem Landschafts- und Genrebilder. Ein  neuer  Fotomarkt  entsteht Wieso ist Wilhelm Willinger mit seiner Fotoagen- tur in der Zwischenkriegszeit so erfolgreich? Die Gründe dafür sind vielfältig. Ein wichtiger Grund liegt wohl darin, dass es ihm gelingt, die Anregungen der Berliner Presseszene nach Wien zu transferieren. Die pulsierende Metropole Berlin ist in den Jahren nach der Jahrhundertwende nämlich der Schrittma- cher im Zeitungsgeschäft. In keiner anderen euro- päischen Stadt verändert und modernisiert sich die Presselandschaft innerhalb kürzester Zeit derart ra- sant. Willinger, der die Berliner Zeitungslandschaft aus der Nähe kennengelernt hat, nutzt seine Erfah- rungen und Kontakte, um in der Zwischenkriegszeit zur führenden Wiener Fotoagentur aufzusteigen.10 Er ist ein findiger Unternehmer und versteht es, sich optimal auf die Bedürfnisse des Marktes einzustellen. Er liefert eben das, was nachgefragt wird. Zu dieser Marktstrategie gehört u. a., die thematische Bandbrei- te des Angebots besonders breit zu streuen, ästheti- sche Experimente zu meiden und handwerklich gut gemachtes Mittelmaß anzubieten, um möglichst viele
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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Untertitel
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Autor
Anton Holzer
Verlag
Primus Verlag
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-86312-073-3
Abmessungen
23.0 x 29.0 cm
Seiten
498
Schlagwörter
Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
Kategorie
Medien

Inhaltsverzeichnis

  1. Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
  2. Neue illustrierte Welt Einleitung 10
  3. Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
  4. Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
  5. Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
  6. Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
  7. Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
  8. Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
  9. Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
  10. Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
  11. Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
  12. Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
  13. Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
  14. Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
  15. Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
  16. Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
  17. Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
  18. Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
  19. Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
  20. Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
  21. Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
  22. Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
  23. Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
  24. Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
  25. Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
  26. Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
  27. Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
  28. Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
  29. Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
  30. Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
  31. Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
  32. Anhang
    1. Anmerkungen 446
    2. Fotografinnen und Fotografen 1890 bis 1945 Biografische Notizen 466
    3. Literatur 483
    4. Zeitungen und Zeitschriften 490
    5. Index 491
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