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250 Politische Bilder · Die Kultur der Arbeiterfotografie
Sozialdemokraten und Kommunisten, der unmittelbar
nach dem Ende des Krieges (v. a. im Frühjahr 1919)
besonders heftig getobt hatte, ist inzwischen ent-
schieden. Die österreichischen Kommunisten spielen
in der Zwischenkriegszeit politisch keine besondere
Rolle.5 Und auch publizistisch kann die KPÖ mit der
SDAP nicht mithalten. Die Anfang 1932 gegründete
KPÖ-nahe Illustrierte Rote Woche erscheint nur ein-
einhalb Jahre lang. Ende Juli 1933 wird sie verboten.
Sie ist auf billigem Zeitungspapier gedruckt, mit ein-
fachsten Mitteln hergestellt und kann es inhaltlich
und grafisch nicht mit dem Kuckuck aufnehmen. Da
die kommunistische Partei keine geeignete Plattform
für die Fotoberichterstattung hat, weicht beispielswei-
se die KPÖ-nahe Fotografin Edith Suschitzky um 1930
auf den sozialdemokratischen Kuckuck aus.6
Dennoch gibt es auch im Umfeld der österreichi-
schen Kommunisten zaghafte Versuche, nach deut-
schem Vorbild eine parteinahe Arbeiterfotografie- bewegung aufzubauen. 1931 wird auf maßgebliches
Betreiben von Edith Suschitzky hin eine „Vereinigung
der Arbeiter-Fotografen Österreichs“ gegründet, die
aber kaum Bedeutung erlangt und ein Jahr später, im
Sommer 1932, wieder aufgelöst wird.7 Die Illustrierte
Rote Woche veranstaltet „Photo-Preisausschreiben“
für Arbeiterfotografen, allerdings werden kaum Fotos
von Arbeiterfotografen veröffentlicht.
Anders als die kommunistische Illustrierte
Rote Woche ist der Kuckuck höchst erfolgreich. Er
erreicht im ersten Jahr seines Bestehens (1929)
eine wöchentliche Auflage von knapp über 50.000.8
Nimmt man noch die zahlreichen weiteren regionalen
und thematisch gebundenen SDAP-nahen Tages- und
Wochenzeitungen hinzu, so erscheint die sozialdemo-
kratische Publizistik um 1930 stärker denn je. Aber
der Schein trügt. Die Auflage des Kuckuck sinkt An-
fang der 1930er Jahre kontinuierlich und liegt 1932
mit 29 000 Exemplaren deutlich unter der ursprüngli-
chen 50 000er-Marke. Nach 1930 ist die Macht der So-
zialdemokratie bereits im Schwinden begriffen. 1933
beginnt die christlichsoziale Regierung Dollfuß ganz
offiziell mit der Demontage ihrer politischen Gegner.
Im März 1933 wird, wie berichtet, das Parlament
ausgeschaltet, das Kabinett beginnt mittels Notver-
ordnungen diktatorisch zu regieren, die Vorzensur
für missliebige Zeitungen und Zeitschriften wird ein-
geführt. Am 26. Mai 1933 wird die kommunistische
Partei verboten, am 19. Juni 1933 die österreichische
NSDAP. Aber auch der Spielraum für die sozialde-
mokratische Opposition wird immer enger. Ein Jahr
später kommt es zur offenen Diktatur. Alle verblie-
benen oppositionellen Parteien und Organisationen
werden nun verboten. Damit ist auch das Ende der
sozialdemokratischen Presse gekommen. Am 10. Feb-
ruar 1934 erscheint die letzte Nummer des Kuckuck.9
Das Fotoprogramm des Kuckuck
Wenige Monate nach der Gründung des Kuckuck
wendet sich die Redaktion im Juli 1930 erstmals an
die Arbeiterfotografen. „Wir legen Wert darauf“, heißt
es in dem programmatischen Aufruf zu einem Foto-
wettbewerb, „daß die Arbeiter die Welt ihres Alltags
erkennen und photographisch wiedergeben lernen.
Abb.
2 „Laßt sie
nicht an die
Macht!“ Antinationalsozia-
listische
Fotomontage. Der
Kuckuck, 31.
Juli 1932, S.
7.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Untertitel
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Autor
- Anton Holzer
- Verlag
- Primus Verlag
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Abmessungen
- 23.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang