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294 Experiment und Bewegung · Tanzschritte in eine neue Zeit freien Tanz. Ab 1926 inszeniert Grete Wiesenthal
an der Wiener Staatsoper Ballettaufführungen. Mit
dem russischen Tänzer und Choreografen Sascha
Leontjew, der zwischen 1928 und 1930 die Leitung
des Wiener Staatsopernballetts innehat, etablieren
sich die neuen Strömungen des Tanzes endgültig im
gesellschaftlichen Leben (Abb.
11).
Kontinuität und politische Brüche
Der moderne Tanz übersteht in Wien die politi-
schen und gesellschaftlichen Umbrüche der Jahre
1933/34 relativ gut. Die Tanzszene ist in den 1930er
Jahren immer noch sehr aktiv. Im Jahr 1933 veran-
staltet der Hagenbund, eine Wiener Künstlerverei-
nigung, eine große Tanzausstellung, es ist die erste
ihrer Art im 20. Jahrhundert.19 Ein Jahr später, im
Juni 1934, findet in Wien ein großer internationaler
Tanzwettbewerb statt.20 Aus diesem Anlass erscheint
in der Zeitschrift Wiener Mode ein aktueller Über-
blick über die Szene des modernen Tanzes in Wien
(Abb.
12). Vorgestellt werden Protagonistinnen wie
Grete Groß, Gertrud Kraus, Gisa Geert, Ellinor Tordis,
Stella Mann und Rosalia Chladek.
Bemerkenswert ist, dass der austrofaschistische
„Ständestaat“ den freien Ausdruckstanz keineswegs
als Bedrohung sieht, sondern als Ausdruck der mo-
dernen Körperkultur offiziell fördert.21 Mitte der
1930er Jahre zeigt das Wiener Staatopernballett zahl-
reiche Aufführungen, die ganz in der Tradition des
Ausdruckstanzes stehen. Viele der großen Wiener
Tänzerinnen sind in den 1930er Jahren regelmäßig
auf der Bühne zu bewundern. Und dennoch: Für jene
Tänzerinnen, die sich, wie etwa Cilly Wang, in ihren
Produktionen Anfang der 1930er offen politisch ge-
äußert und explizit gegen Diktatur und Faschismus
Stellung bezogen haben, wird die Arbeit nun immer
schwieriger. Als 1934 die Diktatur des „Ständestaa-
tes“ errichtet wird, sind oppositionelle politische Äu-
ßerungen nicht mehr möglich. Einige Tänzerinnen
jüdischer Herkunft ziehen es bereits zu diesem Zeit-
punkt vor, ins Exil zu gehen, darunter Gertrud Kraus.
Die Tänzerin, die vor 1933 eine Anhängerin der So-
zialdemokratie war und u. a. sozialkritische Tanzpro-
gramme und Bühnenbilder (u. a. Anfang der 1930er
Abb.
10 Die Wiener Tanz-
künstlerin Grete Groß.
Wiener
Mode, Heft 14, 1930, S.
6.
Foto: Hedda Medina.
Abb.
11 „Bewegungsgruppe:
Angst“. Inszenierung von Sa-
scha Leontjew. Der
aus Riga
stammende Tänzer ist einer
der innovativsten Choreogra-
fen der Zwischenkriegszeit. Bis
1930 ist er
Leiter des Balletts
der Wiener Staatsoper, danach
geht er freien Projekten nach.
MOCCA, Heft 7, Juli 1935,
S.
61. Foto: Graben-Atelier.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Untertitel
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Autor
- Anton Holzer
- Verlag
- Primus Verlag
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Abmessungen
- 23.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang