Seite - 308 - in Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
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308 Schöne neue Warenwelt · Reklame und Mode in der Fotografie
dem Dach des Heinrichshofs (gegenüber der Oper)
die erste Wandschriftanlage installiert.10
Aber nicht nur in der Straßenreklame, auch in
zahlreichen anderen Bereichen des Alltags macht
sich Ende der 1920er Jahre der Werbeaufschwung
bemerkbar. Nachdem sich die Wirtschaft ab Mitte
der 1920er Jahre erholt hat, steigen die Ausgaben für
Anzeigen und Werbung deutlich an. Nicht mehr nur
die Luxusprodukte werden nun mit großflächigen
Anzeigen beworben, sondern (fast) alle Artikel des
täglichen Lebens: Kleidung und Kosmetik, Schmuck,
Spielzeug, Möbel und neue Filme. Die gehobene
künstlerische Reklame nimmt nun schlagartig zu, die
künstlerischen Strömungen der Nachkriegszeit bah-
nen sich einen Weg in die Gebrauchsgrafik.11 In Ös-
terreich stammen die wegweisenden Entwürfe dieser
Jahre von Grafikern wie Joseph Binder, Franz Grieß-
ler, Hermann Kosel, Karl Krens, Viktor T. Slama und
Julius Klinger. Mitte der 1920er Jahre tauchen nicht
nur hervorragend gestaltete Plakate in den Straßen
der größeren Städte auf. Auch ganz neue Formen von
Reklame werden ausprobiert. Das Putzmittel „Vim“,
das 1911 auf den Markt kommt, wird in den 1920er
Jahren in Wien und in anderen Städten etwa mit-
tels „wandernder Litfaßsäulen“ beworben. Das sind
rundum plakatierte überdimensionale Kartonrollen,
die von Menschen durch die verkehrsreichen Straßen
getragen werden. Sichtbares Zeichen für die enorme Aufwertung der
Werbung sind die zahlreichen Kongresse, Tagungen
und Ausstellungen zum Thema Werbung, die in den
Jahren um 1930 stattfinden. Im September 1931 etwa
wird im Rahmen der Wiener Herbstmesse die Son-
derausstellung „Photo und Reklame“ gezeigt, in der
künstlerische Werbe- und Modefotografien zu sehen
sind.12 Im November 1933 wird in Wien eine weitere
Reklameausstellung eröffnet, diesmal im Künstler-
haus. Gestaltet wird diese Schau vom Architekten
Otto Prutscher.13
Fotografie,
Werbung, Mode
In den 1920er Jahren setzt sich die Fotografie als
gestalterisches Mittel der Anzeigenwerbung – vor
allem in der illustrierten Presse – durch. Einige An-
noncen- und Reklameanstalten tragen diesem Trend
im Namen Rechnung, indem sie sich explizit auf
„Moderne Bildreklame“ spezialisieren.14 Eine ganze
Reihe von Fotografen verlegt sich ganz oder teilweise
auf fotografische Produktwerbung. Zu ihnen gehö-
ren – um nur einige wenige zu nennen – die Wiener
Ateliers Fayer und Manassé, die Fotoagentur Willin-
ger, der Wiener Sport- und Werbefotograf Fritz Sauer,
Heinz von Perckhammer, der in den 1920er Jahren
viel in Berlin arbeitet und in den 1930er Jahren auch
in Österreich tätig ist, oder der Grazer Alfred Steffen
(Steffen-Lichtbild), der neben seiner Pressetätigkeit
v. a. als Werbefotograf arbeitet. Aber auch klassische
Atelierfotografen wie Madame d’Ora, die seit 1927 in
Paris arbeitet, sind immer wieder im Bereich Wer-
befotografie tätig. D’Ora etwa fotografiert regelmäßig
für den Pariser Mode- und Kosmetikkonzern Worth.
Sie liefert u. a. die Werbebilder für das berühmte, seit
1924 vermarktete Parfum „Dans la Nuit“ (Abb.
6).
Auch Pressefotografen wagen sich gelegentlich in die-
sen Bereich, etwa Hans Madensky oder Lothar Rübelt,
der u. a. für die Automobilfabrik Steyr tätig ist. Ab
Ende der 1920er Jahre stoßen zu diesen Berufsfoto-
grafen auch künstlerisch arbeitende Amateure dazu,
die bisweilen ebenfalls Werbeaufträge übernehmen.
Zu ihnen gehören etwa Willy Eggarter (Abb.
7), Otto
Exinger oder Ferdinand Hodek, die neusachliche Wer-
beaufnahmen machen.
Abb.
4 Vor dem Ersten
Weltkrieg kommt es zu einer
Professionalisierung des Anzei-
genwesens. Ankündigung der
Eröffnung das
Reklame-Büros
Hermann Mandl in der Graphi-
schen Revue Österreich-Ungarns,
Heft 7, Juli 1914, o.
S.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Untertitel
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Autor
- Anton Holzer
- Verlag
- Primus Verlag
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Abmessungen
- 23.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang