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310 Schöne neue Warenwelt · Reklame und Mode in der Fotografie
Während bei fotografisch illustrierten Produkt-
anzeigen die Fotografie oft nur ein Bestandteil eines
größeren grafischen Ensembles ist, ist die Situation
im Bereich der Bewerbung von Mode anders. Die Auf-
nahmen werden, v. a. ab Mitte der 1920er Jahre, in
der Regel ohne grafische Zusätze und ohne zeichne- rische Einbettung veröffentlicht.15 Die Modefotografie
unterscheidet sich aber auch in anderer Hinsicht von
der nüchternen und sachlichen Produktfotografie. In
der Modeberichterstattung verschwimmen häufig die
Grenzen zwischen redaktionellem Text, Bildern und
gewerblichen Anzeigen. Außerdem spielt hier spä-
testens seit Anfang der 1920er Jahre die Fotografie
eine herausragende Rolle. Bekannte Fotografen, die
stets auch namentlich genannt sind, übernehmen
die Aufträge. Gute Modefotos betten das Produkt,
nämlich Kleider, Mäntel, Hüte, Schuhe etc., in eine
vielschichtige, ästhetisch, emotional und oft auch ero-
tisch aufgeladene Szene ein. Häufig werden bekannte
Schauspielerinnen als Modelle verwendet, sodass der
Übergang zwischen Society-Berichterstattung und
Werbung fließend ist.
Bereits vor dem Ersten Weltkrieg beginnen die
Modebeilagen der illustrierten Journale neben den
dominierenden Zeichnungen vereinzelt auch Fo-
tografien – damals vor allem Pariser Herkunft – zu
drucken. Dennoch setzt sich die Modefotografie nur
zögernd durch.
Die führende österreichische Modezeitung Wiener
Mode ist in ihrer Ausrichtung und Aufmachung sehr
traditionell. Zwar bringt sie schon vor 1914 ab und zu
Modefotos, vor allem aus Pariser Ateliers, etwa von
Charles Reutlinger oder Henri Manuel. Mit Beginn
des Krieges 1914 kommt die Zufuhr französischer Bil-
der allmählich zum Erliegen, nun werden vermehrt
Modefotos deutscher Herkunft gedruckt, etwa von
Ernst Schneider oder der Berliner Agentur Becker &
Maaß. Erst relativ spät, während und gegen Ende des
Ersten Weltkrieges, tauchen öfter Modeaufnahmen
heimischer Fotografen auf. 1916 veröffentlicht der
etablierte Wiener Fotograf Charles Scolik erstmals
Modebilder in der Wiener Mode. Anders als man viel-
leicht erwarten könnte, kommt die Modeproduktion
und -berichterstattung während des Krieges keines-
wegs zum Erliegen.16 Nach einer Flaute zwischen
1914 und 1916 spielt sie vor allem in den letzten bei-
den Kriegsjahren – neben der wieder aufblühenden
Theaterfotografie – eine wichtige Rolle: Immerhin
lenkt sie zeitweise von den düsteren Nachrichten aus
dem Felde ab und vermittelt das Bild einer trotz allem
funktionierenden Gesellschaft.
Abb.
8 Damenwäsche
des
bekannten Wiener Modehauses
Zwieback.
Moderne Welt, Heft
1–
2, Oktober, November 1918,
S.
52, Foto: d’Ora.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Untertitel
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Autor
- Anton Holzer
- Verlag
- Primus Verlag
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Abmessungen
- 23.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang